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NetherWorld

Ein pixeliges Abenteuer voller Absurditäten


10.11.2025  Captain  Switch  0 Likes  0 Kommentare 
NetherWorld Bild NetherWorld Screenshot NetherWorld Foto

Manchmal sind es gerade die schrägsten Ideen, die hängen bleiben. NetherWorld ist so ein Spiel. Nach über einem Jahrzehnt Entwicklungszeit hat das katalanische Studio Hungry Pixel endlich abgeliefert – und das Ergebnis ist ein groteskes, aber faszinierendes Action-Adventure, das irgendwo zwischen Drogentrip, Beziehungsdrama und absurdem Roadmovie angesiedelt ist.

Ein seltsamer Start ins Elend
Du spielst Medoo – eine Qualle mit Problemen. Genauer gesagt: mit Alkohol, Liebeskummer und einem sprechenden Haustier. Gleich zu Beginn verlässt dich deine Frau, und was tut man da? Richtig, man geht in die Bar, trifft einen drogensüchtigen Magier namens Cubick und lässt sich in eine Welt voller schräger Gestalten, zynischer Dialoge und abgründiger Situationen hineinziehen.

Was NetherWorld auszeichnet, ist seine Kompromisslosigkeit. Hier wird nicht gefiltert, nicht beschönigt, nicht gedeutet – die Welt ist so verdorben, wie sie aussieht. Überall begegnen dir Charaktere, die zugleich abstoßend und charmant sind: ein Apotheker, der dich mit Lachgas versorgt, eine alte Dame, die dich verführen will, oder ein Transvestit, der dich in einer schummrigen Bar zu einem Drink einlädt. Dieses Ensemble ist so bizarr, dass man sich manchmal fragt, ob das Spiel nicht selbst betrunken ist.

Zwischen Witz, Wahnsinn und Weitsicht
Trotz seines skurrilen Humors steckt in NetherWorld eine unerwartete Tiefe. Das Spiel erzählt, unter all dem Chaos, die Geschichte einer verlorenen Seele auf der Suche nach einem Sinn – oder wenigstens einem ordentlichen Rausch. Der Humor ist dreckig, unter der Gürtellinie und dennoch treffsicher. Dabei entsteht eine fast poetische Mischung aus Selbstironie und Melancholie.

Das Gameplay bleibt simpel: Du bewegst dich seitlich durch 2D-Umgebungen, interagierst mit Figuren, führst kurze Dialoge und kämpfst in handgemachten Bossfights. Zwischendurch gibt es Minispiele, Rätsel und Dialogoptionen, die kleine Abweichungen im Ablauf ermöglichen. Alles fühlt sich nach klassischem Indie-Design an – reduziert, direkt und auf das Wesentliche konzentriert.

Technisch alt, aber stimmungsvoll
Grafisch präsentiert sich NetherWorld in klarem Pixel-Look, irgendwo zwischen Retro und Trash – und genau da funktioniert es erstaunlich gut. Die verschwommenen Farben, das Zittern des Bildes, wenn Medoo zu viel getrunken hat, die leicht flackernden Hintergründe: All das trägt zu einem eigenwilligen Stil bei, der sich perfekt in das düstere Szenario einfügt.

Die Musik ist minimalistisch, die Soundeffekte hart und trocken. Kein orchestraler Bombast, keine Pop-Synths – nur das Nötigste, um die Szene zu tragen. Diese rohe Präsentation verstärkt das Gefühl, in einer Welt gefangen zu sein, die sich selbst längst aufgegeben hat.

Zwischen Mut und Überforderung
NetherWorld ist kein Spiel für jeden. Es provoziert, schockiert und lacht über seine eigenen Grenzen hinweg. Wer zartbesaitet ist, wird mit den Themen – Sex, Drogen, Gewalt und moralischem Verfall – seine Mühe haben. Doch genau darin liegt auch seine Stärke: Es wagt, unangenehm zu sein, ohne den Spieler aus der Verantwortung zu entlassen.

Trotzdem: So mutig das Konzept ist, spielerisch fehlt es mitunter an Abwechslung. Manche Abschnitte ziehen sich, einige Gags wiederholen sich, und die Steuerung wirkt stellenweise etwas träge. Auch die fehlende deutsche Übersetzung ist ein Hindernis – besonders, weil der schräge Humor sprachlich sehr nuanciert ist.

Ein Trip durch die Abgründe
Was NetherWorld so besonders macht, ist seine Konsequenz. Es bleibt sich treu – vom ersten Drink bis zum letzten Boss. Hinter der Fassade eines schmutzigen Pixel-Adventures steckt ein Spiel, das Fragen stellt, ohne sie beantworten zu wollen. Es ist laut, chaotisch, manchmal zu viel – aber eben auch authentisch, kreativ und voller Charakter.

NetherWorld ist ein Trip, den man erlebt haben muss – auch wenn man ihn nicht unbedingt wiederholen möchte. Eine depressive Qualle, Drogen, Sex und eine Welt voller Absurditäten ergeben ein Erlebnis, das irgendwo zwischen Traum, Albtraum und Comedy liegt. Die Grafik mag pixelig sein, die Steuerung simpel, aber der Mut zur Andersartigkeit verdient Respekt. Nicht jedes Experiment geht auf, doch wer schräge Indie-Spiele liebt, findet hier einen echten Geheimtipp mit Ecken, Kanten und jeder Menge Abstürze – im besten wie im wörtlichen Sinne.

Punktewertung

Gameplay
74
Grafik
63
Sound
74
Steuerung
72

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