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Das Bourne Komplott Review


2008-09-24  Creek  9 Likes  0 Kommentare 
Robert Ludlum lieferte den Roman, Doug Liman holte die Action ins Kino: Matt Damon mimt Jason Bourne, eine ausgebildete 30-Millionen Dollar Kampfmaschine mit perfekter Scheinidentität. Nicht zuletzt wegen seiner überragenden Qualitäten dient er als Auftragskiller der CIA und ist Teil des gefährlichen Treadstone-Projektes. Nach einem gescheiterten Auftrag im Mittelmeer wird Bourne jedoch angeschossen und fällt bewusstlos von der Yacht seines Mordopfers. Von Amnesie geplagt, macht sich der Actionheld auf eine gefährliche Reise, auf eine Suche nach seiner wahren Identität.
Wo der Film -»Bourne Identität-« das missglückte Attentat auf den afrikanischen Ex-Diktator Wombosi nur kurz anschneidet, gewährt das Spiel einen tieferen Einblick in die Vorgeschichte, hält sich ansonsten aber strikt ans Drehbuch der Filmvorlage. Normalerweise schrecken Spieler immer zurück, wenn sie bei einem Videospiel -»Filmumsetzung-« hören, doch die Angst ist unbegründet, das -»Bourne Komplott-« hat nicht viel mit seinen vergurkten Kollegen gemein.

Bourne is back!
Wir befinden uns auf einem Marktplatz in Marseille und noch bevor wir durch die Sonde in unserem Ohr weitere Anweisungen unseres Vorgesetzten entgegen nehmen, fallen uns sofort zwei Dinge auf: ?Wow, ist die Umgebung schön belebt? und ?Hilfe, dass ist ja gar nicht Matt Damon!? Anders als noch im Film übernimmt im Spiel eine unbekannte, männliche Person die Rolle des Killers, was Filmfans etwas sauer aufstoßen könnte. Die Eigenkreation des Entwicklers High Moon entpuppt sich aber als nicht minder charismatisch und sieht mit ihrem Kurzhaarschnitt und Stoppelbart gar nicht so uncool aus. Nachdem wir ein paar Schritte gegangen sind, entschädigt uns aber der Anblick der Umgebung für den kurzen Schreck: da unterhalten sich Leute auf der Straße, lehnen an Laternen, rauchen eine Zigarette, oder gestikulieren wild herum. Die Tische des Imbissstandes sind voll besetzt, an den Hauswänden stehen umgekippte Mülltonnen, dunkle Gassen sind teilweise von der Polizei abgesperrt worden. Vor uns sehen wir einen älteren Herrn, vermutlich ein Taxifahrer, der ein Päuschen eingelegt hat, ansprechen oder interagieren können wir mit den NPCs jedoch nicht, trotzdem geraten wir durch die vielen Details ins Staunen. Aber wir haben ja einen Auftrag und wollen nicht trödeln, irgendwo muss unsere Zielperson sein. Wir folgen den Gassen und gelangen so in einen dreckigen Hinterhof, wo zunehmend unheimlichere Gestalten ihr Unwesen treiben.

Als wir um eine Ecke abbiegen, poppt eine Anzeige in der Bildschirmmitte auf, die uns verkündet, wie wir den Bourne-Instinkt aktivieren, der uns den Weg weißt und wichtige Objekte der Umgebung hervorhebt. Das Spiel pausiert dabei klugerweise automatisch und erklärt in Form eines bebilderten Tutorials die Spielelemente dann, wenn sie von Nöten sind; man lernt also mit dem Spielverlauf immer mehr Fähigkeiten unseres Helden kennen. Mit Druck auf die jeweilige Taste wird die Szenerie in ein tristes blau-grau getaucht, auf dem Radar in der rechten Bildschirmecke zeigt uns nun ein grünes Symbol den Weg ? praktisch. Ehe wir zum Lauf Richtung Zielort ansetzen können, überrumpelt uns etwas aus der Dunkelheit, Mülltonnen scheppern, unser Kiefer knackt, die Kamera erlebt eine Achterbahnfahrt. Bevor wir realisiert haben, dass uns soeben jemand angegriffen hat, fangen wir gleich noch einen Kienhaken ein. Doch als wir uns mit dem intuitiven Kampfsystem vertraut gemacht haben, hat unser Gegner nichts mehr zu lachen. Die rasanten Nahkämpfe werden ebenso rasch abgehalten wie im Film, die Keilereien gewinnen so sehr an Dynamik. Trotz heftiger Faust- und Trittattacken ist das Blocken unabdingbar: ohne Verteidigung beißt man selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade im späteren Spielverlauf schnell ins Gras. Nach einem beeindruckenden Schlagabtausch mit unserem vermummten Kontrahenten leuchtet auf einmal eine Anzeige am Radar auf: die Anzeige für den Bourne-Instinkt. Gegliedert in 3 Bereiche, erlaubt uns ein gefüllter Sektor mit Druck auf die jeweilige Taste einen Takedown-Angriff, der an Action kaum zu überbieten ist. Bourne schnappt sich den Kerl, verpasst ihm einen gehörigen Faustabdruck im Gesicht und schleudert ihn gegen die Müllcontainer ? das hat gesessen! Doch es ist noch nicht vorbei, wenige Minuten später erfahren wir von einer Bombe an einem Van, direkt vor uns! In diesem Moment ertönt ein warnendes Geräusch und das Spiel fordert uns mit einem Quicktime-Event auf, eine Tastenabfolge im richtigen Moment zu drücken. Wir weichen der brachialen Explosion aus und hechten mit Coolness über eine Sitzbank, die durch unseren Sturz in tausend Stücke zerberstet. Nachdem sich unser Puls wieder normalisiert hat, realisieren wir die Situation. Was ist hier eben passiert? Solche Szenen wie diese gibt es im Bourne Komplott quasi an jeder Ecke. Und es ist nicht nur die Geschwindigkeit, die unser Herz rasen lässt, sondern auch die würzige Verknüpfung von schnellen Kamerawechseln und schweißtreibenden Actionszenen, die ebenso fesseln, wie die Filmvorlage.

Zwischenbilanz
Nach weiteren 20 Minuten haben wir die erste Mission erfolgreich gemeistert und haben einiges erlebt. Wir sind durch die Straßen Marseilles gesprintet und haben einige Gauner schlafen gelegt, pardon, kalt gestellt. Eine richtige Schusswaffe durften wir indes noch nicht führen, kommt aber noch! Nun lehnen wir uns erst einmal entspannt zurück und genießen Kinofeeling, denn anders als die in Spielgrafik gehaltenen Zwischensequenzen während einer Mission, bekommt der Spieler mit hervorragend gerenderten Videosequenzen einige Schnipsel der Story präsentiert. Dabei werden die ersten drei Missionen voll und ganz dem heimlichen Attentat auf Wombosi gewidmet, offenbaren also einen Blickwinkel, der im Film verborgen blieb. Ansonsten hält sich das Drehbuch strikt an der Vorlage von Bourne Identität, wobei das Spiel auf ähnliche Stilmittel und Erzählstrukturen zurückgreift. So erfahren wir in Flashbacks mehr über Bournes Vergangenheit und bereisen in den unterschiedlichen Missionen Originalschauplätze des Films.

Diese sind mehr oder weniger hübsch gestaltet, die Ausleuchtung zaubert einige schicke Effekte, wie z.B. glänzende Backsteine auf einem regennassen Hof; die Texturen sind abgesehen von den detailreichen Figuren aber oft matschig. Innen- sowie Außenareale halten sich dennoch die Waage und die Grafikengine läuft selbst in heftigen Schusssequenzen mit konstanter Framerate butterweich über die Mattscheibe. Dennoch werden Fans des Kinoabenteuers enttäuscht sein, da die Versoftung das hohe Niveau der Detailtreue nicht immer halten kann. So freut man sich zwar über die Originalmusik des Films, fragt sich aber zugleich, wer denn nun genau welche Person vertritt, da die Figuren ihren Film Pendants weder ähnlich sehen, noch mit den Originalstimmen vertont wurden.

Dank der mitreißenden Geschichte und der packenden Actionsequenzen kommt so schnell keine Langeweile auf. Es gilt 10 lange Level zu meistern, wobei sich die Aufträge zwar wenig flexibel zeigen, aber immer wieder gekonnt mit würzigen Spielelementen vermixt werden. So dramatisch der Einstieg war, so actionlastig geht es pausenlos weiter. Durchhänger gibt es selten, das Spiel hält den Spannungsbogen ständig im oberen Drittel und zwängt den Spieler in eine Zwangsjacke aus packend inszenierter Action und feuriger Hast, die sich gewaschen hat, aber für den ein oder anderen zu viel sein könnte ? man sollte daher nach einigen Spielstunden eine Pause einlegen.

Das Spiel gönnt nämlich keine.
Immer noch Marseille, der finale Auftrag: wir befinden uns auf einem Luxusfrachter und sollen Wombosi töten, unsere Chance, das erste Mal mit echtem Blei zu schießen.
Versteckt hinter Warenkisten des Lieferabteils schleichen wir uns an unseren Gegner heran und stellen ihn mittels hinterhältigem Stealth-Takedown kalt. Takedowns können auch im Sprinten ausgeführt werden, genügend Adrenalin vorausgesetzt. Wir hören Rufe und ein Scheppern, die Metalltür des Schiffes wird aufgestoßen, die Musik wird aufdringlicher, eine weitere Wache will uns ans Leder. Wir wollen in Deckung hechten, doch das funktioniert nicht recht. Will man sich an eine Wand oder ein Objekt lehnen, so muss man sich dieser frontal nähern und die Deckungs-Taste drücken. Bei erneutem Drücken löst sich Bourne wieder von der Wand, Stellungswechsel kommen somit nur sehr hakelig in Frage; das hätte man intuitiver lösen können. Nichtsdestotrotz verstecken wir uns hinter einer Lieferung und warten ab. Klick ? der Feind lädt seine Waffe, der perfekte Zeitpunkt um aus der Deckung zu schnellen und ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen. Dank Schalldämpfer hat das auch niemand gehört.

Außer unserer Pistole können wir natürlich auch die unterschiedlichen Schießprügel der Feinde aufsammeln. Das Repertoire reicht von Uzis, hinweg über verschiedenen MPs, bis hin zu Schrotflinten; Raketenwerfer dürfen wir allerdings nicht verwenden. Munition klauben wir von erledigten Feinden auf, oder bedienen uns an den üppigen Aufrüstkits, die verstreut in den Arealen stehen.

To the max!
Ist man im Besitz eines vollen Adrenalinbereichs, so lassen sich auch Schusstakedowns ausführen, wieder gepaart mit einigen Quicktime-Einlagen. Besonders im Nahkampf fällt auf, wie abwechslungsreich die Sequenzen ausfallen können, kaum ein Schlagabtausch gleicht dem anderen, da selbst Umgebung und Objekte mit in den Kampf einbezogen werden. Da kommt es schon mal vor, dass ein Feind die Schaufel küsst, oder aus dem Fenster geworfen wird. Takedowns sind während der Kämpfe, vor allem bei Endbossen unabdingbar. Denn ohne deren Einsatz, würden die Faustkämpfe beinahe 10 Minuten dauern. Dank Bourne-Instinkt kommen wir auch selten in eine Situation, in der wir nicht vor etwas flüchten, etwas zerstören, oder jemanden eliminieren müssen. Er weißt uns den Weg zur nächsten Action, der Schwierigkeitsgrad hält sich somit in Grenzen, auch weil die Checkpoints sehr fair verteilt sind.

Nachdem wir nun Marseilles und Zürich unsicher machen konnten, befinden wir uns in Paris. Wir haben Marie kennen gelernt und befinden uns mit ihrem kleinen roten Mini-Cooper auf der Flucht. Eben haben wir noch einen Agenten der CIA getötet, der durch Jasons Fenster eingebrochen ist, jetzt heizen wir mit über 100 Stundenkilometern durch die Stadt der Liebe. Die Verfolgungsjagd bekommt einen eigenen Levelabschnitt spendiert und gestaltet sich entsprechend lang. Da man noch nicht mit dem Vehikel vertraut ist, fährt man etwas unbeholfen auf der Straße, nicht zuletzt weil die Fahrphysik praktisch nicht vorhanden ist und die Fahrzeugsteuerung eher einer Ente auf Inlineskates gleicht. Die Kollisionsabfrage macht auch hier keine Ausnahme, selbst die KI zeigt sich hier nicht von ihrer schönsten Seite, wie sie das im restlichen Spiel tut. Trotzdem haben sich die Entwickler bemüht, die Fahrt abwechslungsreich und actionreich zu gestalten. Man brettert durch enge Gassen und macht selbst vor Ladenschaufenstern nicht halt. Auf der Strecke passiert immer etwas; wenn nichts explodiert und keine Polizei in der Nähe ist, stören die unzähligen Fahrzeuge, die das Weiterkommen behindern. Zum Glück können wir auf unseren Bourne-Instinkt zurückgreifen, der die Zeit etwas verlangsamt. Ansonsten folgt man unter Zeitdruck stupide einem Checkpoint nach dem anderen und fragt sich, wann man denn endlich den Fuß vom Gas nehmen und sich entspannen kann. Trotzdem reicht die Fahrt samt Ausweichmanöver nicht über eine nett gemeinte Actionsequenz hinaus, die das Spielgeschehen etwas auflockert.

Nun haben wir es fast geschafft. Viele Kämpfe haben wir überstanden, viele waghalsige Stunts überlebt. In Berlin infiltrieren wir nun das Hauptquartier, um den Leiter des Treadstone-Projektes auszuschalten. Hier feuert das Spiel nochmals aus allen Rohren. Wortwörtlich endet das Finale in einem Kugelhagel, was ein wenig schade ist, da die ständigen Ballereien gen Ende des Spiels etwas an Fahrt verlieren. Erschreckend ist auch, dass man in einem Spiel, das durch Action und zerbrechliche Umgebungsobjekte befeuert wird, es nicht erlaubt, dass man ein Projektil durch Glas jagt. Befinden wir uns in einem Büro, können wir unsere Feinde zwar durchs Fenster sehen, sie aber nicht töten, andere Einrichtungsgegenstände wie Blumentöpfe und Statuen halten unserem Kugelhagel dagegen nicht lange stand.
Das Ende dürften all jene kennen, die den Film gesehen haben. Neulingen ist das Spiel nicht unbedingt, aber vielleicht genau deswegen zu empfehlen, weil die Story hervorragend erzählt und das Drehbuch logisch abgehandelt wird.

Das Stückchen Software hat seine Macken. Es nervt die hakelige Steuerung in Schusssequenzen, es nerven die fehlenden Originalsynchronsprecher und die Figurenähnlichkeit lässt zu wünschen übrig. Warum muss ich mich als riesiger Fan der Filmvorlage mit fremden Figuren und unbekannten Stimmen zufrieden geben? Dennoch überzeugt die brillante Story, die euch einige Originalschauplätze besuchen lässt. Das Spiel steigt gewaltig ein, lässt im späteren Verlauf aber etwas nach. Trotz weniger Ausnahmen hält euch Das Bourne Komplott jedoch bei der Stange und lässt euch so schnell nicht wieder los; es kommt nicht zu Leerläufen, ständig wird ein Actionfeuerwerk nach dem anderen abgefackelt. Das Spiel lebt von brachialen Actionsequenzen und fängt das Filmflair gut genug ein, um mit Gewalt, Dramatik und Spannung den Spieler für mehr als 12 Stunden zu fesseln. Wer dann noch nicht genug hat, kann sich auf die Suche nach insgesamt 70 versteckten Pässen machen oder sich an den Achievements versuchen. Einen Multiplayermodus werdet ihr indes vergeblich suchen. Das Bourne Komplott ist eine der wenigen gelungenen Filmumsetzungen und darf nicht nur für Bourne-Fans empfohlen werden....

Punktewertung

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