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The Long Walk – Todesmarsch Review

Ein Wettkampf, der keiner sein dürfte


21.12.2025  Danilo  0 Likes  0 Kommentare 
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Francis Lawrence hat ein Gespür dafür, Dystopien nicht einfach laut und spektakulär, sondern schmerzhaft nah und menschlich zu erzählen. The Long Walk – Todesmarsch ist genau das: ein Film, der schon in den ersten Minuten unmissverständlich klarmacht, dass wir Zuschauer hier nichts gewinnen können – außer Beklemmung. Basierend auf Stephen Kings Roman, geschrieben unter seinem Pseudonym Richard Bachman, verfolgt der Film eine Gruppe junger Männer, die in einem totalitären System gegeneinander antreten müssen. Wer weitergeht, lebt. Wer aufgibt, stirbt. Das ist der Deal. Und Lawrence inszeniert dieses „Spiel“ nicht als Sport, sondern als Hinrichtung auf Raten.

Was sofort auffällt, ist die körperliche und emotionale Intensität der Darsteller. Cooper Hoffman, David Jonsson, Ben Wang und Charlie Plummer schieben diese Geschichte nicht vor sich her, sie tragen sie. Man sieht ihnen die Erschöpfung in jeder Sekunde an, die Angst, die Wut, den Versuch, Kontrolle zu bewahren. Lawrence nutzt die Jugend seines Casts nicht als visuelle Kulisse, sondern als bewusst gewählten Kontrast zum Grauen, das sie erwartet. Besonders Hoffmans Darstellung ist ein Magnet: Er spielt Ray Garraty nicht als Held, sondern als Teenager, der viel zu schnell verstehen muss, dass diese Welt keinen Platz für Ideale hat.

Weltentwurf mit schmerzlicher Klarheit
Der Film braucht keine großen Expositionsblöcke, keine erklärenden Monologe. Die Dystopie ist nicht überstilisiert, sondern schleichend glaubwürdig. Verfallene Straßen, resignierte Zuschauer, staatliche Lautsprecherstimmen, die keine Emotion kennen – Lawrence setzt auf Andeutungen statt Erklärungen. Und genau darin liegt ein Teil der Wucht: The Long Walk fühlt sich nicht an wie eine ferne Zukunftsvision, sondern wie eine dystopische Abzweigung der Gegenwart.

Technisch ist der Film stark. Die Kamera von Jo Willems zeigt die monotone, unerträgliche Bewegung der Läufer mit bedrückenden, langen Einstellungen. Landschaften wirken leer und weit, als würden sie die jungen Männer verschlucken. Gerade diese Monotonie ist Teil der Erzählung: Der Film zwingt uns, die Strecke mitzuwandern. Es gibt keinen Schnitt, der uns erlöst. Kein Action-Setpiece, das uns unterhält. Nur die Schritte, der Atem, die Schüsse. Immer wieder die Schüsse.

Ein Thriller, der mehr im Inneren stattfindet
Große Teile des Films bestehen aus Gesprächen, aus kurzen Allianzen, aus fragmentarischen Lebensgeschichten der Läufer. Manche Zuschauer empfinden das als zu dialoglastig – doch genau hier entfaltet die Vorlage ihre Stärke. Lawrence überträgt diesen Kern mit erstaunlicher Sorgfalt: Es geht nicht um den Walk selbst, sondern darum, was er aus den Figuren macht. Wer bricht mental? Wer klammert sich an Hoffnung? Wer kämpft, obwohl längst nichts mehr zu gewinnen ist?

Charaktere, die anfangs archetypisch wirken, erhalten im Verlauf Tiefe. Ein Nebensatz, ein Blick, eine Erinnerung genügt, um zu zeigen, wie sehr all diese jungen Menschen von ihrem Staat missbraucht wurden. Gleichzeitig hält sich Lawrence damit zurück, zu sentimental zu werden. Die Brutalität bleibt präsent. Auch die emotionale.

Für einen Moment stellt der Film sogar die Frage, ob der Walk überhaupt noch eine Geschichte über Mut ist – oder vielmehr über Manipulation, Überwachung und die gnadenlose Verwertbarkeit junger Körper.

Wo der Film stolpert – und warum es verkraftbar bleibt
Trotz seiner Intensität trifft The Long Walk – Todesmarsch nicht jede Entscheidung perfekt. Manche Änderungen zur Buchvorlage wirken unnötig oder verwässern Momente, die King sehr bewusst gesetzt hatte. Besonders langjährige Fans kritisieren das überarbeitete Ende, das tatsächlich weniger Ambivalenz zulässt und nicht ganz die mythologische Wucht erreicht, die der Roman hatte.

Auch fehlen im Film einige Aspekte, die in der Vorlage schockierend wichtig waren: die gaffende Masse, die Wettbüros, die moralische Verkommenheit der Zuschauer. Lawrence betont eher den inneren Kampf der Figuren als das grausame Spektakel, das sie umgibt. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar – aber sie nimmt dem gesellschaftlichen Kommentar etwas Schärfe.

Trotzdem bleibt der Film wirkungsvoll. Man spürt die körperliche Belastung, die psychologische Enge, den stetigen Niedergang. Die Reduktion auf das Wesentliche schafft Konzentration: die Läufer, die Straße, die Angst. Und Mark Hamill als Major krönt das Ganze mit einer Performance, die Eiseskälte in Form gießt. Seine Figur ist grausam, kontrolliert, fast schon militärisch höflich – und genau deshalb so verstörend.

The Long Walk – Todesmarsch ist ein intensives, bedrückendes und erstaunlich emotionales Stück dystopischen Kinos. Francis Lawrence beweist einmal mehr, dass er nicht nur große Welten, sondern auch intime Zerstörung erzählen kann. Einige Änderungen zur Vorlage mögen Diskussionen auslösen, und manches wirkt erzählerisch geglättet – doch die psychologische Kraft des Films bleibt ungebrochen. Die Darsteller tragen diese grausame Reise mit beeindruckender Präsenz, und die monotone, quälende Struktur des Walks wird zum Erlebnis, das noch nachhallt. Kein Film, der Spaß machen will – aber einer, der bewegt.

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