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Stillbach oder Die Sehnsucht Review


2011-11-19  Spielemagazin  10 Likes  0 Kommentare 
Als ihre beste Freundin Ines in Rom plötzlich stirbt, reist Clara Burger aus Stillbach in Südtirol an, um Ines Haushalt aufzulösen. Dabei entdeckt sie ein Romanmanuskript, das im Rom des Jahres 1978 spielt, dem Jahr der Entführung und Tötung Aldo Moros. Darin beschreibt Ines offenbar ihre eigene Ferienarbeit vor mehr als dreißig Jahren als Zimmermädchen im Hotel Manente, schreibt von Liebe, Verrat und Subversion, erzählt aber die Geschichte ihrer Chefin Emma Manente, die seit 1938 in Rom lebt und zum Leidwesen ihrer Südtiroler Familie einen Italiener geheiratet hat. War sie tatsächlich Johann aus Stillbach versprochen gewesen, der 1944 bei einem Partisanenanschlag in Rom getötet worden war? Und ist der Historiker Paul, den Clara in Rom kennenlernt, der Geliebte von Ines aus jenem Jahr? Wie wirken die Spannungen um Südtirol und seine Zugehörigkeit seit der NS-Zeit und dem Faschismus bis heute nach?

Stillbach oder Die Sehnsucht
Nach dem plötzlichen Tod ihrer besten Freundin Ines begibt sich Grubers Protagonistin Clara von Stillbach, einem fiktiven Ort Südtirols, auf den Weg nach Rom, um den dortigen Nachlass zu regeln. Bei der Auflösung von Ines Wohnung fällt ihr ein Romanmanuskript in die Hände. Was folgt ist ein literaturwissenschaftliches Musterbeispiel von Intertextualität: Das Manuskript bildet einen Roman im Roman. Dies fordert beim potentiellen Leser aufgrund der verschiedenen Handlungsebenen ein Höchstmaß an Konzentration, fesselt aber, sofern die Bereitschaft besteht sich darauf einzulassen, ungemein. Der im August diesen Jahres bei Beck veröffentlichte Roman kombiniert dabei historische und politische Informationen mit dem Genre einer Liebes- und v.a. Sehnsuchtsgeschichte. Er handelt von drei, allesamt aus Südtirol stammenden Frauen und beschreibt die unterschiedlichen Schicksale vor dem Hintergrund des schwellenden, immer noch nicht aufgearbeiteten, Konflikt zwischen Südtirol und Italien. Wie schon in ihren früheren Werken charakterisiert Gruber ihre Protagonisten als Fremde, Heimatsuchende und trifft damit wie kaum eine andere rezente Schriftstellerin die Seele der Südtiroler: Sie fühlen sich weder österreichisch/deutsch noch italienisch und bleiben in beiderlei Nationen Fremde.

Beschäftigt man sich ein wenig mit der Biographie Grubers gewinnt man schnell den Eindruck "Stillbach oder die Sehnsucht" zeichnet sich voll von autobiographischen Anleihen: Die Protagonistin teilt sich mit der Autorin nicht nur Herkunft (Südtirol) sondern auch Beruf (Universitätslektorin) und selbst der Nachnamen Claras - Burger - kann als Anagramm von Gruber gedeutet werden.

Ist man geneigt sich auch in komplexere Romane hinein zubeißen, bereitet dieser klug konzipierte Roman Lesespaß und vermittelt dabei noch zahlreiches historisch und politisch fundiertes Wissen zur Geschichte Südtirols und Italiens. Nur zur seichten Unterhaltung auf dem Weg per ÖPNV zur Arbeit oder abends im Bett zum Einschlafen scheint der Roman lediglich bedingt tauglich. Für jeden anspruchsvollen Leser wahrlich kein Ausschlusskriterium! Auf der hiesigen Skala verdient "Stillbach oder die Sehnsucht" locker eine 90 mit Tendenz nach oben, in der Hoffnung, dass diesem wunderbaren Roman nicht nur die Aufmerksamkeit des Feuilletons und einiger weniger Leser zu Teil wird.

Punktewertung

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   Titel Stillbach oder Die Sehnsucht
   Genre
   Release
   Systeme
   Publisher C.H.Beck
   Altersfreigabe Freigegeben ab Jahren
   Homepage
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