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Ghost of Yotei (PS5) Review

Subtile Rache, brutale Eleganz – ein Samurai-Epos mit Biss


2025-10-27  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
Ghost of Yotei (PS5) Review Bild Ghost of Yotei (PS5) Review Screenshot Ghost of Yotei (PS5) Review Foto

Mit „Ghost of Yotei“ schlägt Sucker Punch ein neues Kapitel im beliebten Samurai-Kosmos auf. Nach dem Erfolg von Ghost of Tsushima war die Erwartungshaltung hoch – und das Studio liefert: Kein revolutionärer Neuanfang, sondern eine durchdachte Weiterentwicklung mit frischem Protagonisten, packender Atmosphäre und einem Kampfsystem, das zum Besten gehört, was das Genre aktuell zu bieten hat.

Der Schauplatz verlagert sich von der Insel Tsushima in den rauen Norden Japans: Nach Ezo, dem heutigen Hokkaido. Dort bahnt sich Atsu, eine von Rache getriebene Söldnerin, ihren Weg durch verschneite Ebenen, blühende Wälder und brutale Erinnerungen. Ihre Familie fiel einst den „Yotei Sechs“ zum Opfer – einer Bande abtrünniger Samurai, angeführt vom skrupellosen Lord Saito. Jetzt ist Atsu zurück. Und sie will Gerechtigkeit – mit der Klinge.

So schön, dass es weh tut


Visuelle Perfektion in Bewegung
Was sofort ins Auge springt: Die Ästhetik. Ghost of Yotei ist ein malerisches Kunstwerk in Bewegung. Goldene Blätter im Wind, stimmungsvolle Lichtspiele auf dem Wasser, donnernde Gebirgsketten in der Ferne – jedes Bild ist wie gemacht für den Fotomodus. Wer den Kurosawa-Modus liebt, wird hier erneut fündig. Neu sind zusätzliche Stilfilter, die je nach Geschmack mehr Blut, Anime-Flair oder cineastische Akzente ins Spiel bringen.

Doch unter der schönen Oberfläche liegt ein Spiel mit Tiefe – vor allem im Kampfsystem. Atsu nutzt nicht nur ihr Katana, sondern auch Speer, Odachi, Dual-Katanas und eine brutale Kusarigama. Jeder Waffentyp hat sein eigenes Timing, Gewicht und Einsatzgebiet. Besonders das Wechseln im laufenden Kampf macht richtig Laune – wer sich reinarbeitet, wird mit einem Flow belohnt, der kaum zu toppen ist.

Weniger Zahlen, mehr Können – Fortschritt durch Beherrschung
Statt klassischer Level-Aufstiege setzt Ghost of Yotei auf Skill-basiertes Vorankommen. Verbesserungen gibt es durch das Erkunden von Schreinen, das Absolvieren von Nebenquests oder das Erlernen von Shamisen-Melodien, mit denen sich versteckte Orte entdecken lassen. Dieser Verzicht auf XP-Grind fühlt sich angenehm entschlackt an – und zwingt Dich, Dich wirklich mit Deinen Fähigkeiten auseinanderzusetzen.

Die Welt ist dabei weit, aber nicht überfrachtet. Statt Dutzender Sammelobjekte oder belangloser Basen bietet Yotei gut platzierte Geschichten. Mal jagst Du einem Fuchs zu einem geheimen Ort hinterher, mal stellst Du Dich einem Duell auf Leben und Tod, das an Spannung kaum zu überbieten ist.

Eine Heldin mit Kanten – und Klinge

Atsu ist keine strahlende Heldin.

Sie ist verbissen, aufbrausend, oft von blindem Zorn getrieben – genau das macht sie so interessant. Schauspielerin Erika Ishii haucht ihr Leben ein, rau, verletzlich und kraftvoll zugleich. Die Geschichte an sich bleibt zwar konventionell – ein Rachefeldzug mit absehbarem Ziel – doch es sind die kleinen Momente, die haften bleiben. Flashbacks in ihre Kindheit, emotionale Dialoge mit ihrer Mutter oder Begegnungen mit Weggefährten, die ihr einen Spiegel vorhalten.

Besonders gelungen: Oyuki, eine weise Begleiterin, die eine kontrastierende Sicht auf Rache und Ehre einbringt. Oder der Moment, wenn Atsu beginnt, selbst zu zweifeln – ohne jemals wirklich von ihrem Weg abzuweichen. Hier gelingt dem Spiel ein schmaler Grat zwischen Action-Feuerwerk und leiser Charakterentwicklung.

Jeder Schlag ein Statement


Das beste Kampfsystem seiner Art
Das Kampfsystem ist der unangefochtene Star. Parieren, Ausweichen, Kontern – alles fühlt sich direkt, wuchtig und belohnend an. Die Duelle mit den Yotei-Sechs sind teils gnadenlos schwer, aber niemals unfair. Jeder Boss hat sein eigenes Moveset, Timing und Rhythmus. Fehler werden bestraft, perfektes Timing belohnt mit filmreifen Konteranimationen.

Standoffs, bei denen Du im richtigen Moment zum tödlichen Schlag ansetzt, sorgen für zusätzliche Dramatik. Und wer es taktischer mag, nutzt Stealth-Elemente – wenn auch diese etwas generisch wirken. Tarnung im hohen Gras, Wachen mit eingeschränktem Sichtfeld – innovativ ist das nicht, aber funktional. Und ganz ehrlich: Wer will schleichen, wenn das Kämpfen so gut ist?

Offene Welt, klare Struktur – so funktioniert modernes Worldbuilding
Ghost of Yotei ist kein Quantensprung in Sachen Open World. Und das ist gut so. Statt überladener Maps mit drölfzig Icons setzt das Spiel auf klare Struktur, visuelle Wegführung per Windstoß und musikalische Hinweise via Shamisen. Es zwingt Dich nie, alles zu machen – aber es belohnt Dich, wenn Du es tust. Besonders einige optionale Bosse oder kulturelle Miniquests (u.a. mit Bezug zu den Ainu) zeigen, wie viel Liebe ins Detail geflossen ist.

Ghost of Yotei ist kein neues Tsushima – es ist ein geschärfter Nachfolger. Die Story bleibt vorhersehbar, doch mit Atsu als kompromissloser Heldin gewinnt sie enorm an Charakter. Das Kampfsystem ist spektakulär, die Welt wunderschön, das Pacing angenehm reduziert. Wer auf cineastische Samurai-Fantasy steht, bekommt hier ein Erlebnis, das noch lange nachklingt – wie ein letzter Ton auf dem Shamisen.

Punktewertung

Gameplay
94
Grafik
92
Sound
87
Steuerung
87

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