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Ebba Åsman – When You Know Review

Zwischen Jazzclub und digitalem Dämmerlicht


2025-03-21  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Foto: PH ANY. Mehr zum Thema Transparenz.

Ebba Åsman ist keine Unbekannte in der Welt des zeitgenössischen Jazz. Mit "When You Know", ihrem neuen Album, gelingt der schwedischen Posaunistin und Sängerin ein mutiges Werk, das weit über Genregrenzen hinausgeht. Ihre Musik klingt wie das nächtliche Flimmern einer Stadt, irgendwo zwischen warmen Neo-Soul-Beats, atmosphärischem Jazz und melancholischem Pop – ein Sound, der genauso gut aus dem London der späten 90er wie aus dem Berlin der Gegenwart stammen könnte.

Schon der Opener „Lately“ signalisiert: Hier geht es nicht um einfache Unterhaltung. Ebba Åsman verlangt Zuhören – und belohnt mit Tiefgang. Die musikalische Sprache des Albums ist vielschichtig, mal verschachtelt und schwebend wie bei Radiohead, dann wieder sinnlich und triphoppig à la Morcheeba oder Massive Attack. Und doch ist „When You Know“ ganz eindeutig Ebba Åsman: reduziert, poetisch, fordernd.

Stimme und Posaune im Dialog
Zentrales Element des Albums ist das Wechselspiel zwischen Stimme und Posaune. Mal treten sie einander gegenüber, wie zwei Figuren im nächtlichen Gespräch, dann wieder verschmelzen sie zu einem einzigen Klangkörper. Diese Dualität verleiht dem Werk Tiefe und macht es zu einer Art innerem Monolog in musikalischer Form. Besonders eindrucksvoll gelingt das im Titeltrack „When You Know“, der zwischen Verletzlichkeit und Entschlossenheit oszilliert.

Åsman selbst beschreibt den kreativen Prozess als Gespräch mit sich selbst – ein Dialog ohne Filter, bei dem Stimme und Blasinstrument die Rollen wechseln, sich gegenseitig spiegeln, stützen oder herausfordern. In dieser Offenheit liegt der Reiz des Albums: Es ist persönlich, aber nicht privat. Emotional, aber nie pathetisch.

Ein Genre wird neu gedacht
„When You Know“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Jazz im Jahr 2025 klingen kann – modern, offen und im besten Sinne grenzenlos. Ebba Åsman verbindet R&B-Grooves mit hiphoppigen Breaks, lässt elektronische Flächen auf akustische Wärme treffen und spielt mit dem, was zwischen den Tönen liegt.

Tracks wie „Did I Go“ und „No Answer“ klingen wie Soundtracks zu nächtlichen Autofahrten, während „Open Your Eyes“ fast schon hymnische Qualitäten hat. Immer wieder entstehen cineastische Bilder im Kopf – als würde man durch ein verregnetes Fenster in eine andere Welt blicken. Die Produktion bleibt dabei stets klar und feinfühlig, lässt viel Raum zum Atmen.

Wer eine schnelle Hook sucht, wird möglicherweise enttäuscht sein. Dieses Album verlangt Geduld – und bietet dafür eine emotionale Komplexität, die in der heutigen Musikwelt selten geworden ist.

Eine Platte für alle, die sich treiben lassen wollen
Ebbas musikalische Wurzeln in Stockholm und Rotterdam sind genauso spürbar wie ihre Erfahrungen mit internationalen Künstlern wie Nils Landgren und den Brooklyn Funk Essentials. Doch es ist nicht nur die technische Finesse, die „When You Know“ zu einem bemerkenswerten Werk macht. Es ist die emotionale Dichte, die Atmosphäre – dieses Gefühl, in einem schwebenden Raum zu stehen, in dem Jazz nicht mehr das Ziel, sondern das Medium ist.

Das Album wird nicht jedem gefallen – es will das auch gar nicht. Aber wer sich auf die Reise einlässt, wird mit Momenten belohnt, die im Ohr bleiben. Es ist Musik für späte Stunden, für stille Gedanken, für das Gefühl, dass gerade etwas Bedeutungsvolles passiert, auch wenn man es nicht ganz greifen kann.

  1. Lately
  2. When You Know
  3. Did I Go
  4. Time Out
  5. No Answer
  6. Open Your Eyes
  7. Grandma
  8. What I Want
  9. Found You
  10. Go On


Mit „When You Know“ hat Ebba Åsman ein Album geschaffen, das sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Es ist eine klangvolle Reise voller Brüche, Übergänge und überraschender Wendungen. Wer sich auf dieses musikalische Gespräch zwischen Stimme und Posaune einlässt, entdeckt ein Album, das nicht nur modern, sondern auch zeitlos klingt. Kein leicht zugängliches Werk – aber eines, das wächst, je öfter man es hört. Und vielleicht ist genau das seine größte Stärke.

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