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Damals in Paris Review


2010-11-10  Tonio Gas  12 Likes  0 Kommentare 
Überragende Liz Taylor in einem Film mit nur kleinen Schwächen
Rezension zu "Damals in Paris", USA 1954, 111 Min., Farbe, deutscher und englischer Ton, mit Elizabeth Taylor, Van Johnson, Walter Pidgeon, Eva Gabor, Donna Reed, Roger Moore, Regie: Richard Brooks

Die offenbar nicht stattgefundene Restaurierung des Filmes führt zu einem seltsamen Missverständnis: Als sich US-Korrespondent Charles (Van Johnson) im Nachkriegs-Paris in Helen (Liz Taylor) verliebt und sie abends nach Hause bringen will, sagt Helen scheinbar zu ihm: "Hast Du Thomas Wolfe gelesen? 'Es gibt einen Weg zurück'". Ein kleiner Aussetzer des Tons verschluckt den entscheidenden Buchstaben: Es gibt KEINEN Weg zurück! I'll bring you home. - You can't go home again.

So ist es!Wer sich in Liz Taylor verguckt, für den gibt es keinen Weg zurück. Inwieweit dies für ihre zahllosen Männer auch im wirklichen Leben galt, lassen wir einmal dahingestellt. Aber es ist schon auffällig, dass (frühe) Liz-Taylor-Rollen oftmals mit diesem ganz und gar einnehmenden Wesen daherkommen, wobei "einnehmend" immer auch "vereinnahmend" bedeutet. Es gibt keinen Weg zurück. Und Liz-Taylor-Charaktere wissen das. Angela Vickers (Liz Taylor mit gerade einmal 17 Jahren) konnte in "Ein Platz an der Sonne" haben, was sie wollte und wen sie wollte, und sie spielte das aus. Ähnliches gelang ihr in "Das Land des Regenbaumes". Gerade im zuletzt genannten Film wird das Selbst-Bewusste ihrer Aktionen dadurch zum Ausdruck gebracht, dass Liz Taylor als eine Frau eingeführt wird, die für ein Bild posiert. Sie inszeniert sich. Auch in "Damals in Paris" sehen wir als erstes von ihr ein gemaltes Bild, für das sie - wie wir später erfahren - sich selbst inszeniert hatte. Dass ihre Helen jeden haben kann und damit herumspielt, verknüpft "Damals in Paris" recht geschickt mit dem zeitgeschichtlichen Hintergrund: Wir schreiben 1945, der Krieg ist aus, und als US-Soldat in Paris musste man im Freudentaumel schon sehr hässlich aussehen, um nicht Küsse von jubelnden Französinnen einheimsen zu können. Also küsst Helen. Selbst dass sich eine gutaussehende Frau nach einem ausgiebigen Flanieren nicht mehr an jeden Küsser erinnern kann, ist in dieser Situation noch leicht erklärlich und kein Ausweis, ein Flittchen zu sein. Dann aber setzt Helen dem die Krone auf, indem sie Charles wieder begegnet und am erneuten Testküssen erkennen will, welcher Mann das nun eigentlich war. Es gelingt ihr. Dies führt zu dem, was an Liz-Taylor-Rollen typisch und einzigartig ist: Sie ist oftmals beides zugleich, ziemlich schamlos und dabei doch aufrichtig liebend oder zumindest interessiert. So genießt sie es, Charles auf einer Gesellschaft zu küssen, als sie längst gemerkt hat, dass ihre Schwester ein Auge auf ihngeworfen hat, und er auf sie. Und sie genießt es, ihn anschließend planvoll auszuspannen, bis beide auf der Parkbank sitzen und der "Es gibt kein Zurück"-Spruch kommt. Männer haben sich für Helen genauso wenig als austauschbar wie Küsse erwiesen. Wie in "Ein Platz an der Sonne", "Das Land des Regenbaumes" und "Telefon Butterfield 8" spielt Liz Taylor eine hemmungslos aufreißende, aber aufrichtig liebende Frau. Oder zumindest eine, die es mit der aufrichtigen Liebe ernsthaft versucht. Diese extreme Verknüpfung von Hingabe und Besitzergreifung, die mag ein Männertraum sein, aber Liz Taylor war als dieser "gute Vamp" immer einzigartig. Übrigens zeigen die genannten Filme dieses Wesen immer sehr kritisch. Wenn diese Kritik, so wie in der Schlussphase von "Telefon Butterfield 8", ein bißchen heftig und platt daherkommt, dann dient sie lediglich dazu, dem männlichen Zuschauer eine Rechtfertigung dafür zu geben, dass er an Liz-Taylor-Charakteren eine gewisse Angstlust befriedigt. Er ist, pardon, geil auf so eine Frau, aber kann sich selbst damit beruhigen, dass sie am Ende mindestens mit schwerer Krankheit oder gar mit dem Tode bestraft wird - die Ordnung ist wieder hergestellt, und Mann kann vorgeben, das zu verachten, was einen doch anlockt. Um diese Moralkeulenfalle kommt auch "Damals in Paris" nicht ganz herum, der am Ende auch noch unter einer überlangen Coda leidet, in der gewisse Dinge erwartbar geregelt werden und der Film zum dozierenden Thesenfilm verkommt. Doch im Hauptteil doziert der Film nicht, sondern zeigt schlicht, was da mit ein paar Menschen passiert. Da ist er eine faszinierende und aus meiner Sicht ziemlich erschreckende Darstellung eines amour fou. Als Beispiel für die Meisterschaft der Taylor, so etwas zu spielen, sei eine kurze Szene herausgegriffen: Charles sagt so etwas wie "Du bist mir die Frau fürs Leben", er ist schwer verliebt, er hat auf die Wortwahl gar nicht so sehr geachtet - wie man das halt so sagt. Darauf Helen: "Das bin ich wirklich." Diese vier Worte und ihr Gesicht dabei drücken die ganze Ambivalenz aus. Helen guckt immer noch hingebungsvoll, aber ein bißchen ernster, auch bestimmterals zuvor. Man merkt, sie meint es ernst, aber die Worte strahlen gleichzeitig eine gewisse Bedrohlichkeit aus: "Ich lasse Dich nicht mehr los."

Der Film verknüpft diesen amour fou mit einer faszinierenden Darstellung der unerträglichen Leichtigkeit des müßiggängerischen Seins. Der Krieg ist also aus, und Helen und ihr Vater James (Walter Pidgeon als Bonvivant) wollen das Leben in vollen Zügen genießen. Dass sie dies immer kurz vor dem Abgrund tun, zeigt sich beispielsweise daran, dass James ständig mit Geld jongliert, das er nicht hat (übrigens wird er am Ende im Rollstuhl sein und auch physisch "nicht auf eigenen Füßen stehen können"; diese Metapher mag mir der Rezensionsfreund verzeihen, bei dem ich sie geklaut habe). Heute stehen wir zwar am Angrund, aber morgen sind wir schon einen Schitt weiter. Helen fordert ebenfalls nach diesem Motto permanent das Schicksal heraus. Dabei begibt sie sich immer wieder ihres Schutzes, weil sie sich für omnipotent hält, aber gleichzeitig kommt in ihren Aktionen ein mindestens unterschwelliger Wunsch nach "Reinwaschung" und Erlösung zum Ausdruck. Ihre Eskapaden haben immer wieder etwas mit Wasser zu tun.Helen duscht einmal angezogen in einem Brunnen (was später Grundlage des erwähnten Gemäldes wird). Zwei Mal"steht sie im Regen", weil sie meint, eine wie sie bekomme IMMER ein Taxi / bekomme IMMER Einlaß zum Haus (zum Herzen, zur Seele, zum Innersten) eines Mannes. Doch das Taxi bekam sie nicht, und Einlaß bei Charles, der später ihr Ehemann ist, auch nicht - die Ehe ist gewaltig am Kriseln, Charles trinkt und war zu betrunken, um Helens Klopfen und Klingeln noch zu hören. Interessanterweise heißt es bei der viel früheren Taxi-Szene, dass Charles Helens Regenschirm genommen und verbusselt hätte. Da ist sie wieder, diese Ambivalenz, fast Paradoxie: Helen hatte Charles zwar verhext und dominiert ihn, ist aber auch ganz und gar bereit, sich in seine Obhut zu begeben, so dass sie nicht mehr selbst dafür gesorgt hatte, einen Schirm parat zu haben. Andererseits scheint sie freiwillig gewisse Torturen um der Sühne willen auf sich zu nehmen, die sie leisten muss, weil sie Charles den Kopf verdreht und - wiewohl unvorsätzlich - sein Leben verkompliziert hat.

Die Darstellung des amour fou berührt und erschreckt. Dass der Schrecken der einmal erwähnten Atombomben den Frieden gebracht hat, illustriert, wie dicht auch im Psychologischen Schrecken und Freude beieinander sind (übrigens für 1954 bemerkenswert: Es heißt im Dialog, dass die Japaner zur Kapitulation bereit gewesen wären, wenn man nur nicht auf der Absetzung des Tenno bestanden hätte - d.h. die Atombomben werden als ganz und gar unnötig dargestellt). Hierzu trägt auch die Ästhetik des Filmes bei, die ich zuerst mit gemischten Gefühlen sah, aber mittlerweile für brutal konsequent und genial halte: Der Film schwelgt in technicolorseligem Pariskitsch. Er hat für seinen Schrecken keine Bilder. Doch was zunächst wie ein typisches Ausstellungsstück der MGM-Studios der Fünfziger Jahre aussieht, führt dazu, dass der Schrecken hinter dem Schein sich heimtückisch anschleicht - um sich dann abrupt in die Magengrube zu bohren. Der Widerspruch zwischen Ästhetik und Inhalt wird nie aufgelöst, auch nicht ansatzweise abgemildert. Dadurch bekommt das Widersprüchliche eine extreme Spannung, die sich irgendwann mit Wucht entladen muss, wenn wir merken, wie schrecklich das Schöne ist, das doch immer schön anzusehen bleibt. Charles und Helen drohen jeder für sich daran zu zerbrechen. Auch künstlerisch schafft der Film "keine Brücken" zwischen den Diskrepanzen der Ebenen, und so werden den Protagonisten kaum Brücken geboten. Das ist genial schrecklich und schrecklich genial. Wir werden kaum darauf vorbereitet, dass das hier die Hölle auf Erden ist, sogar die Finanzprobleme werden zwei Mal völlig gegen die Erwartungen (vorübergehend) gelöst (ein Mal wird sogar bei einer Pferdewette geschickt die gegenteilige Erwartung geschürt). Wir treffen völlig unvorbereitet und ungeschützt auf diese Hölle, und dadurch sind wir ein bißchen wie Charles und Helen, die ebenfalls ohne Netz und doppelten Boden (und ohne Regenschirm!) in den Sturm der Elemente geraten.

Was gibt es sonst noch? Ein sehr junger und bereits gewohnt schnöseliger Roger Moore gibt Charles' Nebenbuhler (in der deutschen Fassung klingt er so schauerlich, als wäre der Synchronsprecher von Stan Laurel am Start gewesen). Interessanter ist sein weibliches Gegenstück. Eva Gabor spielt eine Frau namens Lorraine Quarl. Dabei erinnert gerade vor dem historischen Hintergrund der Vorname an Lothringen (frz. la Lorraine, = ein Gebiet, auf das mehrere Anspruch erheben). Der Nachname klingt wie quarrel, = engl. Krach, Streit. Beides passt: Sie weiß nicht, zu wem sie gehört, und sie löst Zwist aus. Lorraine sammelt Gatten und Scheidungen und ist hinter der Maske der Lebedame ein Psychowrack. Dabei macht der Film früh klar, dass sie mehr als nur Mittel zum Zweck der unvermeidlichen Ehekrise von Charles und Helen ist: In ihrer ersten Szene schenkt ihr die Regie eine gut platzierte Großaufnahme und einen melancholischen Blick, der uns sagt: Diese Frau sollten wir nicht als unwichtig abtun! Die ganze Inszenierung und der spätere Verlauf der Handlung nehmen Lorraine extrem wichtig. Sie ist eine traurige Aussicht auf das, was aus Helen einmal werden könnte; sie hat genau die gleiche Paradoxie zwischen Geben und Nehmen, Geborgenheits- und Amüsierwunsch, nur viel schreiender und offensichtlicher. Und sie ist längst daran zerbrochen; Helen hingegen droht dies "nur".Interessant sind die Kleiderfarben der Frauen: Zunächst ist Lorraine ganz in schwarz gekleidet, was formell an die trauernde Witwe erinnert, doch dabei ist ihr Mann nicht verschieden, sondern geschieden. Obwohl Lorraine vorgibt, diesen Zustand recht flott zu finden, spricht die Kleiderfarbe eine andere Sprache und lässt seelische Abgründe erahnen, Traurigkeit auch. Gleichzeitig rückt sie dies bereits in eine Nähe zu Helen, die zuvor meist schwarz getragen hatte. Danach trägt Helen plötzlich weiß - ist aber paradoxerweise auf dem Abstieg, wenn sie sich von alten Männern für 5.000 Francs für wohltätige Zwecke küssen lässt (mit ein bißchen Phantasie können wir das Geld als Nuttengeld deuten, denn Prostituierte, die musste man seinerzeit im US-Film noch dezent umschreiben). Hier ist also in der Schwebe, ob Helen endgültig verloren ist. Eine Szene späterhaben sich die Rollen verändert: Die blonde Lorraine trägt strahlendes Weiß und die dunkelhaarige Helen wieder schwarz. In dieser Szene findet das direkte Zusammentreffen von Lorraine, Helen und Charles statt. Farblich und inhaltlich hat Lorraine Helens Platz eingenommen und ist sie Charles auch in der bildlichen Positionierung näher als Helen. Helen muss hingegen befürchten, zu dem kaputten Zerrbild ihrer selbst zu werden, als das Lorraine in ihrer ersten Szene mit schwarzer Kleidung eingeführt wurde. Sieht die Zukunft für Helen also schwarz aus? Nicht ganz, denn es folgt ja noch die zweite Im-(Schnee-)Regen-steh-Szene Helens. In dieser trägt sie Abendgarderobe und definitiv für Schneeregen ungeeignete Schuhe, ganz in rot. Lange gibt die Kamera der stummen Liz Taylor Zeit, um durch den Schnee zu gehen und das Bild wirken zu lassen. Sie wird völlig durchnäßt werden und unterkühlen, dies ist klar. Es ist ein Bußgang, ein Leidensweg, mit dem Weiß des Schnees, das reinigende Erlösung verheißt, und dem Rot des Kleides, das verdeutlicht: Dafür muss Helen bluten.

Bei diesen Andeutungen soll es bleiben, der Ausgang des Filmes wird nicht verraten. Sehen Sie ihn selbst. Er hat die genannten kleinen Schwächen und ist gewiss nicht zu empfehlen, wenn man gefühlsbetonten Filmen eher abgeneigt ist. Aber über weite Strecken fasziniert er. Und was die Leistung von Liz Taylor betrifft, ist er herausragend. Insgesamt eigentlich ca. 85 Punkte, aber die technische DVD-Umsetzung könnte besser sein: Leider gibt es weder Untertitel noch ein anständig restauriertes Bild, was der schrägen Technicolorpatina ganz gut getan hätte.

Gefühlsbeladenes Melodram eines amour fou in einer unerträglichen Leichtigkeit des Seins. Liz Taylor ist ein Traum, der Film ist oft meisterhaft, aber mit etwas schwachem Schlussteil, nicht restauriertem Technicolor und einem schauerlich synchronisierten Roger Moore.

Punktewertung

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   Titel Damals In Paris - Vergessene Filmklassiker Vol. 3
   Genre
   Release 2010-09-10
   Systeme
   Publisher Voulez Vous Film (Intergroove)
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 12 Jahren Jahren
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