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Ciel - Call Me Silent Review

Subtiler Indie-Rock trifft atmosphärischen Alternative Pop


2025-10-28  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
Ciel - Call Me Silent Review Bild Ciel - Call Me Silent Review Screenshot Ciel - Call Me Silent Review Foto
Foto: Marieke Macklon. Mehr zum Thema Transparenz.

Schon beim ersten Durchlauf von Call Me Silent, dem Debütalbum der britischen Band Ciel, spürt man dieses feine Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz, zwischen gedämpftem Echo und klarer Stimme. Hier wird keine schreiende Hymne geboten, sondern ein einfühlsamer Songzyklus, der sich zwischen verträumt und eindringlich bewegt. Der Gesang von Michelle Hindriks legt die Linie vor: verletzlich, bedacht, mit einem Hauch von Nachdenklichkeit – und doch mit genug Kraft, um nicht nur im Hintergrund zu verschwinden.

Ein sanfter Aufbruch in die Stille
„Call Me Silent“ ist kein Album, das laut Aufmerksamkeit fordert. Es schleicht sich an, legt sich wie Dunst auf die Haut und entfaltet erst nach und nach seine Wirkung. Ciel, die Band aus Brighton, findet mit diesem Werk den perfekten Mittelweg zwischen kühler Zurückhaltung und emotionaler Offenheit. Sängerin Michelle Hindriks führt mit einer Stimme durch das Album, die zugleich fragil und bestimmt wirkt – ein schwebendes Gleichgewicht, das sofort fesselt.

Man spürt in jeder Note, dass hier keine Hits am Fließband entstehen sollten. Stattdessen hat das Trio eine Klanglandschaft erschaffen, die berührt, ohne sich aufzudrängen. Diese leise, aber tief wirkende Art zieht sich durch alle elf Songs – und macht „Call Me Silent“ zu einer jener Platten, die sich mit jedem Hören tiefer eingraben.

Klangwelt zwischen Licht und Schatten
Musikalisch bewegen sich Ciel zwischen Indie-Rock, Alternative Pop und einer Prise Shoegaze. Gitarrenflächen glühen sanft, Bass und Drums halten das Fundament locker, aber bestimmt. Immer wieder öffnen sich Räume – und schließen sich im nächsten Moment, als hätte man nur kurz in eine andere Welt geblickt.

Der Sound ist klar, aber nie steril. Kleine Störgeräusche, Rückkopplungen oder das Atmen im Mikrofon wirken nicht zufällig, sondern gewollt. Sie verleihen der Musik Charakter. Besonders dann, wenn sich Melancholie mit Energie mischt, entsteht dieser ganz eigene Sog, der das Album durchzieht.

Songs wie „Won’t Obey“ und „Swallowing Your Pride“ zeigen, dass Ciel das Handwerk des eingängigen Songwritings beherrschen, ohne den Anspruch zu verlieren. Andere Stücke, etwa „Will I Ever Feel Again“ oder „In Your Heart Again“, tauchen tiefer ab – sphärisch, nachdenklich, fast filmisch.

Texte voller Intimität und Reflexion
Lyrisch bleibt das Album ebenso ehrlich wie unaufgeregt. Es geht um Selbstfindung, Identität, das Ringen zwischen Nähe und Distanz. „Call Me Silent“ – dieser Titel wirkt wie ein stilles Mantra, das die eigene Verletzlichkeit akzeptiert. Ciel schreiben über Themen, die im modernen Indie oft untergehen: Unsicherheit, das Gefühl, anders zu sein, aber auch das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung.

Nichts daran wirkt künstlich. Die Texte tragen eine natürliche Reife in sich, als würde hier jemand leise, aber bestimmt aus dem eigenen Inneren sprechen. Es sind Worte, die nicht auf Effekte setzen, sondern auf Wahrhaftigkeit.

Ein Album, das wächst
Das Besondere an „Call Me Silent“ liegt in seiner Geduld. Es ist kein Album für den schnellen Kick, kein Werk, das mit Refrains um sich wirft. Stattdessen lässt es dich atmen, zuhören, verweilen. Gerade diese Entschleunigung ist seine Stärke.

Beim ersten Hören wirkt manches unscheinbar, beim zweiten entfaltet sich Tiefe – und beim dritten findest du dich irgendwo zwischen Nostalgie und Geborgenheit wieder. Man könnte sagen: Ciel schreiben Musik für Menschen, die zwischen Lärm und Stille ihren Platz suchen.

Der Mix aus verträumten Melodien, leicht düsterer Atmosphäre und einem Hauch 90er-Flair erinnert an große Namen, ohne sie zu kopieren. Das ist kein Rückblick, sondern eine Weiterentwicklung – eine moderne Interpretation von Emotion und Raum.

Ein leises Highlight für den Herbst
„Call Me Silent“ ist das Gegenteil von Überproduktion. Jeder Ton scheint bewusst gesetzt, jede Pause trägt Gewicht. Die Platte strahlt Ruhe aus, selbst in ihren lauteren Momenten. Sie begleitet dich an grauen Tagen, passt zu endlosen Autofahrten oder stillen Abenden mit Kopfhörern.

Ciel gelingt mit ihrem Debüt das Kunststück, Melancholie nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu zeigen. Es ist Musik, die nachhallt, ohne zu klagen – und genau das macht sie so besonders.

Tracklist
  1. Call Me Silent
  2. Won’t Obey
  3. Thinking Of You
  4. Hear Me Out
  5. Will I Ever Feel Again
  6. Stay Along / Sail On
  7. Hold Onto You
  8. Swallowing Your Pride
  9. In Your Heart Again
  10. Talking On The Phone
  11. Cruel


„Call Me Silent“ ist ein atmosphärisch dichtes, emotional fein abgestimmtes Album, das dich nicht mitreißt, sondern einlädt, dich treiben zu lassen. CIEL schaffen ein Gleichgewicht zwischen introspektiver Tiefe und melodischer Zugänglichkeit – ein Werk, das im Inneren bleibt, lange nachdem der letzte Ton verklungen ist.

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