Filme » Reviews

Babycall Review


2013-03-26  Dean  12 Likes  0 Kommentare 
Spätestens seit der Verfilmung von Stieg Larssons "Die Verblendung" (schwedisches Original 2009 bzw. das Remake aus Hollywood 2012) und seit dem Original "So finster die Nacht" (DVD 2009), welches ebenfalls von Hollywood im Jahr 2010 dann unter dem Titel "Let me in" (Kino) gecovert wurde, wissen wir, dass Filme aus Schweden, Norwegen und Island Potential haben sehr gute und tiefsinnige Geschichten zu erzählen. "Babycall" (DVD 2011) reiht sich da ohne Probleme neben den Blockbustern ein, auch wenn er mit eher leiseren Tönen überzeugt. Auf dem Titel sieht man Anna (unglaublich gut gespielt von Noomi Rapace, die im schwedischen Original von "Die Verblendung" (DVD 2009) eine atemberaubende Darbietung der weiblichen Hauptrolle zeigte), die ihren Sohn Anders in den Armen hält. Um die Beiden herum ist nur Dunkelheit und die Frau starrt genau in die Kamera, als wollte sie sagen: "Dies ist mein Kind!". Der Trailer zeigt den Grundplot des Filmes und ist äußerst gut geschnitten: Eine Frau zieht mit ihrem Sohn in eine neue Wohnung. Zwei Mitarbeiter des Jugendamtes versichern ihr, dass "er" sie Beide niemals finden wird und sie sicher sind. Die Beziehung zwischen der Mutter und dem Sohn ist locker, fröhlich und liebevoll. Anna bringt ihn zu Bett, spielt mit ihm und streichelt ihn liebevoll. Doch nach und nach zerbricht diese heile Welt und man merkt, dass irgendetwas nicht zu stimmen scheint. Warum hängt der Sohn ein Foto seines angeblich gewalttätigen Vaters auf? Warum kommen immer mehr und mehr Ungereimtheiten auf? Wer ist dieser zweite Junge? Und woher kommen die grauenhaften Angstschreie aus dem Babyphone...?

"Ohne dich, kann ich nicht leben."
Anna hat Angst um ihren Sohn Anders. Der 8-Jährige Junge wurde misshandelt und die Beiden konnten sich nur dank dem Jugendamt in eine neue Stadt, eine neue Wohnung und ein neues Leben flüchten. Hier soll nun alles besser werden, auch wenn sowohl der Sohn, aber vor allem die Mutter deutliche Zeichen einer psychischen Störung aufweisen. Der Junge wirkt stets ruhig - geradezu abwesend. Die Mutter hingegen scheint sich permanent verfolgt zu fühlen und will dass Anders bei ihr im Bett schläft. Sie will ihn immer um sich haben und verbietet ihm in die Schule zu gehen. Erst als die zwei Sozialarbeiter vom Jugendamt sie zwingen, lässt sie ihn gehen. Sie kauft ein Babyphone, damit sie ihn Nachts hören kann, denn mit 8 Jahren sollte ein Junge nicht jede Nacht im Bett seiner Mutter schlafen. Am ersten Abend bringt sie ihn zu Bett, streicht ihm durchs Haar und sagt: "Ohne dich kann ich nicht leben Anders. Das weißt du doch?". Er antwortet mit einem Lächeln: "Ja Mama, ich weiß". Sie küsst ihn und geht in ihr Schlafzimmer. Gerade als sie eingeschlafen war, beginnt der Alptraum...

Die Schreie
Aus dem Babyphone schreit panisch ein Junge, während eine Männerstimme ihn beschimpft und anbrüllt. Anna schreckt hoch, packt sich das Babyphone und eilt zu ihrem Sohn, der jedoch friedlich in seinem Bett schläft. Die Schreie hören nicht auf und Anna merkt wie das Kind geschlagen und malträtiert wird. Schließlich verstummt alles und sie ist in der erdrückenden Stille der Nacht allein.

Von nun an hört sie die Schreie und Hilferufe regelmäßig, ohne zu wissen, was das alles zu bedeuten hat. Auf Anraten des Elektronikverkäufers Helge, mit dem sie sich nach und nach anfreundet, wechselt sie den Kanal des Babyphones, um eventuelle Überschneidungen mit anderen Babyphonen im Wohnblock auszuschließen. Doch es hört nicht auf und Anna beginnt zu recherchieren, wobei immer mehr und mehr seltsame Dinge passieren und sich ihre Paranoia immer weiter ausdehnt. Bald hört sie nicht nur die Schreie, sondern beginnt auch Dinge zu sehen.

Der Vater
Nicht nur, dass sich Anna mit Schreien aus ihrem Babyphone, dem Jugendamt und der Schule herumschlagen muss, der Vater ihres Sohnes und Ehemann taucht wieder in ihrem Leben auf. Anders hat ihn gesehen - zwei Mal in der Schule. Zudem platzen die Sozialarbeiter mit einer Hiobsbotschaft ein: Der Vater hat Berufung eingelegt und will das Sorgerecht des Jungen für sich.

Für Anna bricht eine Welt zusammen und ihre Angst und Wahnvorstellungen zerreißen den Draht zur Realität. Sie hat immer und immer wieder Blackouts in denen sie Dinge tut und zu Orten geht, an die sie sich dann aber nicht mehr erinnert. Zudem hat Anders plötzlich blaue Flecke am ganzen Körper und ein seltsamer, fremder Junge taucht auf. Die Schule, sowie die Behörden finden immer mehr und mehr Ungereimtheiten im Lebenslauf der Frau und in ihren Aussagen. War sie jemals Lehrerin? Wie alt ist Anders? Was ist damals wirklich passiert? Die Welt, wie Anna sie sieht scheint nicht die Welt zu sein in der sie lebt.

Technische Aspekte
Mit einem Budget von ca. 25 Millionen Norwegischen Kronen (ca. 3,3 Millionen Euro) zählt "Babycall" (DVD) nicht zu den typischen "low budget" Filmen, fällt aber in der Riege anderer, vergleichbarer Horror-Thriller Filme eher durch Sparsamkeit auf. Dies ist jedoch auf keinen Fall ein Manko des Filmes!

Die Kamera ist sehr nah am Darsteller, sei es Anna oder Helge oder der junge Anders. Dies vermittelt eine persönlichere Erzählweise der Geschichte und erlaubt es dem Zuschauer die Gefühle der Figuren nachzuvollziehen. Vor allem die grandiose Darbietung von Noomi Rapace kommt durch die häufigen Nahaufnahmen und langgestreckten Szenen perfekt zur Geltung. Zudem vermeidet der Film zu schnelle und harte Schnitte und begnügt sich mit der Entspanntheit von kleinen Sets und wenigen Darstellern pro Aufnahme. Im Grunde spielt sich der größte Teil des Filmes in Annas Wohnung ab, was - rückblickend betrachtet - einen tiefen Einblick in die Grundidee der Geschichte bietet.

Die Musik im Film ist sehr dezent, geradezu kaum vorhanden, was wiederum den Schauspielern die Freiheit gibt durch ihre Mimik, Gestik und ihre Sprache die Emotionen der Szene zu vermitteln. Zwar kommt in den dramatischen Szenen des Filmes eine gewisse Dominanz der Hintergrundmusik durch, diese wirkt aber auf keinen Fall störend oder überladen. Regisseur Pal Sletaune begnügt sich mit einer sehr spartanischen Auswahl an Stücken die, würde man einen Soundtrack des Filmes herausbringe, definitiv nicht in den Charts landen würde.

Das Drehbuch ist sehr gut geschrieben, hat aber im Grunde nicht viel zu erzählen, da der Grundplot des Filmes nicht das Hauptthema ist. Zwar könnte man glauben es handle sich um den Kampf einer Mutter um ihr Kind, doch man merkt sehr schnell, dass irgendetwas nicht stimmt. Dahingehend ist das Buch sehr subtil geschrieben und an manchen stellen sogar etwas verwirrend, ohne dass dies als störend empfunden wird. Viel mehr will der Zuschauer unbedingt wissen, was da los ist. Man will wissen was es mit Anna auf sich hat, mit dem Verkäufer Helge und mit den Sozialarbeitern. Man will wissen wer den andere Junge ist und was das für Geräusche sind aus dem Babyphone. Spannend, fesselnd, überzeugend und tiefsinnig - das Drehbuch ist der eigentliche Star des Filmes...neben Noomi Rapace natürlich.

Fazit
"Babycall" (DVD 2011) scheint im ersten Moment ein Film über eine Mutter und ihren Sohn zu sein. Im zweiten Moment denkt man, es wird ein Krimithriller um die Misshandlung einer Kindes. Im dritten Moment wirkt es wie ein Psychothriller um die mentale Gesundheit einer traumatisierten Frau. Und im vierten Moment versteht man gar nichts mehr - Pal Sletaune hat mit dem Drehbuch zu dem Film viele Facetten eines guten, fesselnden und überzeugenden Horror-Mysterie-Psycho-Drama-Thrillers aufgestoßen, dass man glauben könnte es wäre ein überladener, halb roher Film eines Regiestudenten. Zugegeben: "Babycall" öffnet viele Fragen und stellt den Zuschauer vor die Herausforderung selbst nachzudenken und sich seine eigenen Gedanken zu machen. In vielen Szenen wird die Theorie, die man sich gerade zusammengereimt hat komplett verworfen und man muss erneut denken. Erst in den letzten 10 Minuten des Filmes wird die Auflösung dem Zuschauer wie ein lang erwartetes Geschenk präsentiert und man erwischt sich selbst bei einem lauten "omg!". Zudem kommt das phantastische Spiel der Hauptdarstellerin Noomi Rapace, die tatsächlich ihrem Ruf seit "Die Verblendung" (DVD 2009) gerecht wird. Auch ohne Make-up, Piercings und einem Drachentattoo überzeugt sie auf aller Linie und gehört zu den überzeugendsten Darstellerinnen im aktuellen Filmgeschäft...mal sehen, wen die Amerikaner in ihrem Remake für die Rolle besetzen werden.

Packend, fesselnd, stimmungsvoll, mitreissend, verwirrend, traurig, überraschend - mehr Adjektive fasst kein Film! Absolute Empfehlung und sollte in keiner guten Sammlung fehlen.

Punktewertung

Fehler gefunden? Melden.

Dieser Artikel kann Affiliate-Links enthalten, die mit gekennzeichnet sind. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für dich ändert sich dadurch nichts, auch nicht am Preis, aber du unterstützt damit dieses Projekt. Deswegen bereits im Voraus: Danke.
   Titel Babycall
   Genre
   Release 2013-02-14
   Systeme
   Publisher Euro Video
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 16 Jahren Jahren
   Homepage
Werbung

Netflix

Jetzt bestellen!
Paypal Trinkgeld