Filme » Reviews

Eden Log


2008-11-12  Uewkes  9 Likes  0 Kommentare 
Eine klaustrophobische Situation, als Zuschauer wird man ins dunkle und kalte Wasser geworfen, Hauptdarsteller und tragende Säule des Films Eden Log Clovis Cornillac wird viele Minuten in der Dunkelheit umherirren, schwer atmen, wegen Kälte und Nässe frieren, sich flackerndem Licht nähern, auf abgenagte Schädel stoßen und nur langsam erkennen, dass er tief unter der Erde ist. Bis er schließlich das Angebot bekommt der neuen Gesellschaft "Eden Log" beizutreten, nicht zufällig trägt man den Garten Eden im Namen, soll doch alles friedlich, total zivilisiert und fortschrittlich sein in diesem von Menschen geschaffenen Paradies.
Die ersten Minuten sind undurchsichtig und zäh wie der Schlamm, der ihn umgab, sind anstrengend und eine Geduldsprobe für das Auge, außer animalischen Lauten und dem umher torkelndem Mann namens Tolbiac wird man nicht viel sehen, außer noch die eiskalte, triste, fast schon lebensabstoßende Optik der gesamten Umgebung, die wie Metall auf einen wirkt.

Eine Reise ins vermeintliche Eden, doch das Paradies wurde schon längst vom Menschen verdorben und verraten
Seine Reise beginnt, als er die Einladung annimmt und damit beginnen die Probleme, damit nimmt Eden Log an Tempo auf und entwickelt eine nicht neue, aber eine immer wieder spannende Geschichte um die Frage, wie so ein Paradies aufgebaut werden kann und vor allem: Wie man es am Leben erhält. Am Anfang war der Bibeltext von der Verbannung des Menschen, der Sündenfall und was nicht noch alles daranhängt. Hier haben die Menschen sich schon von Gott abgewandt und ihr eigenes Utopia, ihren eigenen Garten Eden, um eine große, als Energiespender fungierende Pflanze, aufgebaut. Utopia Utopia, das bedeutet meist immer zwei Dinge: Es gibt eine Schicht, denen geht es gut, denen geht es besser als anderen. Und es gibt die Anderen. Das sind wiederum die, die an der Basis stehen, Garten Eden erst ermöglichen aber selbst nichts davon haben werden, da die ganze Paradies-Geschichte auf Ausbeutung, Unmenschlichkeit und Mord beruht. Ich möchte nicht zuviel vorwegnehmen aber man wird sich nicht umsonst an Matrix oder Soylent Green in noch apokalyptischerer Stimmung erinnert fühlen.

Das alles aus den Augen von Tolbiac, der sich durch Tunnelsysteme kämpft, einem symbolischen "Jesus" begegnet, seine Eva trifft, Wachen ausweichen muss und ständig von.. nun..ja.. Monstern die wie Wachhunde agieren, verfolgt wird. Optisch kein Augenschmaus, dafür viel zu eigensinnig, aber durchaus interessant, immer wieder sieht man den verdreckten Herren auf die Kamera zurennen, manchmal möchte man meinen, dass er es ist, vor dem man Angst haben sollte. Doch dann hört man wieder Geräusche, die einem klar und deutlich vermitteln: Die Gefahr hat den Faktor Mensch schon längst überschritten.

Noch interessanter: Eden Log ist ein - Trommelwirbel, Tusch, Fanfaren - französischer Film von Franck Vestiel. Französische Filme haben zwei Möglichkeiten: Als Aushängeschild und damit typisch französisch zu erscheinen (Was mal gut, mal gehörig schief gehen kann) oder eben nicht wie aus Frankreich erscheinen. Eden Log wirkt alles andere als französisch, wirkt eher wie eine durchdachtere und edlere Umsetzung des visuellen Stils von [Rec] und Cloverfield (Jetzt bloß nicht aufschreien, das ist nicht auf die Goldwaage zu legen oder 1:1 gemeint.. ), beschränkt sich jedoch nicht auf bloße Schock- und Schauwerte sondern weiß mit der unerträglichen Ungewissheit zu spielen; wie in einem Egoshooter folgt man der Figur, die immer wieder Memoiren auf Video ansieht, um sich Stück für Stück einer Antwort zu nähern - besonders hübsch der Einfall, wenn sich die Figur auch erstmal eine sporadische Leinwand erstellen muss, um die Aufzeichnungen besser sehen zu können. Eden Log - Archive und Erinnerungen vom Paradies - doch nicht viel ist vom vermeintlichen Paradies übrig geblieben, zwei Schichten, überirdisch und unterirdisch, repräsentativ für zwei Klassen an Menschen, wobei die eine durch die andere lebt und die vermeintlichen Einladungen ins neue Paradies nicht mehr als ein noch größerer Sündenfall darstellt, am Anfang ging es gegen Gott, dieser verbannte sie aus dem Garten Eden, auf dass sie Mensch wurden. Jetzt richten sich Menschen gegen Menschen. Aber zu welchem Preis? Um Mensch zu sein? Oder um das unmenschliche Dasein respektive das Überleben auf Exploitationsbasis zu sichern? Utopie bleibt Utopie, so wie das vermeintliche Paradies nur eine gespeicherte und gefestigte Erinnerung sein kann, was wir auf diesem Wege nicht mehr erreichen werden.

Ungemütlich, kalt, abstoßend und zur gleichen Zeit wieder fesselnd
Doch, faszinierend, wenn auch kein Spaziergang. Aber einen Blick wert, zumal Clovis Cornillac den Film mühelos alleine schultert (Nein, er ist NICHT allein aber der Rest ist eben.. naja.) und zeigt, was es heißt, gekonnt mit Mimik und Emotionen zu arbeiten - neben etwas abstrusen Hulk-Einlagen gibt es ja auch noch andere Menschen dort unten, alle ein bisschen.. angepasst und dementsprechend nicht wirklich einzuordnen.

Und was könnte schöner sein als ein selbst eingezwängter Film, der dennoch das Wort "offen" neu interpretiert? Über das Ende mag man streiten, ob es zu offen, zu nichtig oder zu zurückhaltend war, aber man kann es auch sein lassen, denn eins dürfte klar sein: Utopien werden gebrochen, wenn sich jemand Besonderes oder genügend Individuen finden und sich auflehnen. Wie es dann weitergeht, das ist dann wirklich Interpretationssache.

Für die Extras nahm man sich eine eigene DVD und füllte diese mit satten 130 Minuten Material, allen voran die Interviews mit Regisseur Franck Vestiel, Hauptdarsteller Clovis Cornillac und dem Produzenten Cédric Jimenez.

Gesprochen wird selbstverständlich Französisch, aber deutsche Untertitel sind zuschaltbar. Vestiel bestärkt den Zuschauer mit seiner Vermutung, dass Eden Log höchst symbolisch und bibilisch angelegt ist; für ihn sind die Geschichten der Bibel allesamt spannend, Kain und Abel fand er faszinierend. Frei von Schlamm und kalter Luft erzählt auch Hauptfigur Cornillac über seine Erfahrungen, über die überwiegend nassen und unbequemen Drehorte und um unangenehme Vorfälle mit seiner "Kumpanin" Vimala Pons, die ebenfalls ein Interview, wenn auch nur ein 5minütiges, spendiert bekommen hat.

Die volle Kälte offenbart die DVD dann aber beim Making of, wo es direkt mit Cornillac in den kalten Schlamm geht. Und der Schlamm scheint wirklich kalt, damit es auch authentisch wirkt. Trotz der düsteren und nächtlichen Atmosphäre gibt es am Set, das sehr beeindruckend in seinem Konzept wirkt, auch viel zu Lachen und am Ende bleibt sogar die Zeit für ein familiäres Abschiedfoto.

Bei der Laufzeit des Teasers könnte man erstmal stutzig werden: 12 Minuten? Das würde ja alles Relevante verraten können. Aber des Rätsels Lösung: Die gleiche Szene in unterschiedlichen Sprachen. Schade nur, dass der Trailer, pardon, Teaser, etwas zu arg auf Horrorfilm getrimmt wurde, das verfälscht die Erwartungen dann doch sehr.

Ein Kammerspiel in der Dunkelheit, in der Hilflosigkeit und im Schlamm. Kein Kammerspiel im eigentlichen Sinne, aber ein Spiel mit der Geduld des Zuschauers, der nie mehr als der umhertapsende Hauptdarsteller weiß, eine symbolische Reise zurück zu den Anfängen, die aber alle Menschlichkeit vermissen lassen. Visuell konsequent gehalten, atmosphärisch eine langsame aber durchaus dichte Reise ins Paradies. Oder etwa doch nur ein Trugbild davon? Wer sich nur ein bisschen mit der Optik anfreunden kann, der wird von Eden Log begeistert sein, wenngleich der Film nicht begeistern möchte.

Punktewertung

Fehler gefunden? Melden.

Dieser Artikel kann Affiliate-Links enthalten, die mit gekennzeichnet sind. Das bedeutet, wir erhalten von Partnern eine Provision, wenn du dem Link folgst und die Produkte über den Link kaufst. Für dich ändert sich dadurch nichts, auch nicht am Preis, aber du unterstützt damit dieses Projekt. Deswegen bereits im Voraus: Danke.
   Titel Eden Log
   Genre
   Release 2009-07-24
   Systeme
   Hersteller SUNFILM Entertainment
   Publisher SUNFILM Entertainment
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 16 Jahren Jahren
   Homepage
Werbung

Super Mario

Jetzt bestellen!
Paypal Trinkgeld