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Whitney – Small Talk Review

Retro-Vibes mit Seele


2025-10-14  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Foto: Alexa Viscius. Mehr zum Thema Transparenz.

Es gibt Musik, die sich nicht in Genres zwängen lässt, weil sie ein Gefühl transportiert, das über Stilfragen hinausgeht. Small Talk, das vierte Album des Chicagoer Duos Whitney, ist genau so ein Werk. Es klingt wie eine nächtliche Autofahrt mit offenem Fenster, die warme Brise trägt Erinnerungen an die Bee Gees heran – aber in analog. Handmade. Ehrlich. Und tief persönlich.

Die Wiederentdeckung des Selbst – mit Taktgefühl und Tremolo
Nachdem Produzent Brad Cook ihnen bei der Arbeit an ihrem dritten Album Spark den dezenten Hinweis gab, sie bräuchten ihn eigentlich gar nicht mehr, nahmen Julien Ehrlich und Max Kakacek genau das als Auftrag. Sie produzierten ihr neues Album komplett selbst – und genau das hört man: Small Talk ist keine polierte Pop-Produktion, sondern ein organisches Gesamtwerk mit feinem Gespür für Dynamik und Emotion.

Songs wie „Back To The Wind“ und „Dandelions“ zeigen Whitney in Bestform: Die typische sanfte Falsett-Stimme von Ehrlich schwebt über weichen Gitarrenflächen, unterstützt von dezenten Drum-Machine-Patterns, die den Vintage-Sound in die Jetztzeit holen. Es ist Musik zum Erinnern, zum Loslassen, zum Nachdenken. Und manchmal auch einfach zum Tanzen.

Die Bee Gees im Indie-Nebel: Eine Reminiszenz mit Ecken und Kanten
Whitneys Sound auf Small Talk ist wie ein Destillat aus 70er-Jahre-Disco, kalifornischem Softrock und Midwestern-Melancholie. Aber alles klingt handgemacht – nichts ist glattgebügelt oder effekthaschend. Selbst die orchestralen Streicher, die hin und wieder auftauchen, wirken wie von Hand gestrichen, nicht programmiert.

In Tracks wie „Evangeline“ oder dem mutigen Opener „Silent Exchange“ offenbart sich eine emotionale Tiefe, die Whitney in neue narrative Sphären katapultiert. Auch das Feature mit Madison Cunningham wirkt wie ein intimer Dialog zweier zerbrechlicher Seelen. Es sind diese Nuancen, die das Album interessant machen – auch wenn sie es nie ganz aus dem Schatten früherer Werke treten lassen.

Zwischen Disco-Bühne und Wohnzimmer: Leiser Glanz mit Licht und Schatten
Nicht alles auf Small Talk zündet sofort. Einige Stücke wirken im Albumfluss fast zu zurückhaltend, zu introspektiv. Wer auf große Refrains oder eingängige Hooks wartet, wird hier eher zufällig fündig. Doch genau das scheint Teil des Konzepts zu sein: Die elf Songs sind wie Gespräche bei Kerzenschein – manchmal tief, manchmal vage, aber immer ehrlich.

Der vielleicht stärkste Moment kommt ganz zum Schluss: „Darling“ startet als Trennungssong und endet in einem fast schon euphorischen instrumentalen Finale, das die Freiheit feiert, einfach man selbst sein zu dürfen – ohne Erwartungen, ohne Pose.

Small Talk ist kein Album, das laut um Aufmerksamkeit bittet. Es ist leise, fragil und in seiner Zurückhaltung mutig. Wer sich darauf einlässt, wird mit musikalischer Wärme, nostalgischer Tiefe und subtiler Poesie belohnt. Für Fans von Retro-Soul, akustischem Indiepop und ehrlicher, handgemachter Musik ist das hier ein stiller Volltreffer. Für alle anderen? Vielleicht ein Grower.

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