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Halfsleeper – Midnight Blue Review

Klanggewordene Einsamkeit


2025-10-02  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Mit Midnight Blue legt das brasilianische Duo Halfsleeper sein erstes vollständiges Album vor – und trifft mitten ins Herz all jener, die sich zwischen Shoegaze-Schleiern, dunklem Post-Punk und synthetischer Melancholie zu Hause fühlen. Bereits die vorherigen Singles und EPs ließen erahnen, wohin die Reise gehen würde, doch das nun erschienene Debüt wirkt wie der logische Höhepunkt: ein kohärentes, atmosphärisch dichtes Werk, das sich weder anbiedert noch verirrt.

Hinter Halfsleeper stehen Hermit (Matheus Cornely) und Moon (Vinicius Biz), deren klangliches Verständnis von Isolation und Intimität durch jedes Stück des Albums pulsiert. Dabei setzen sie auf klare Strukturen: Drum Machines, pulsierende Basslinien, modulierte Gitarren und Synthflächen, die mal schweben, mal zerren.

Ein Sound zwischen Trance und Trauma
Schon der Opener und Titeltrack „Midnight Blue“ zieht den Hörer in einen sanft dröhnenden Strom aus Reverb und kalter Schönheit. Die Gitarre tropft förmlich über das Synthfundament, während der Gesang eher haucht als spricht – entrückt, aber nie bedeutungslos.

„Remembrance Day“, unterstützt von Helders Oliveira (Jenni Sex), wirkt wie ein innerer Dialog, getragen von New-Wave-Melodie und düsteren Klangkaskaden. Es ist einer der emotionalsten Tracks des Albums, der gerade durch seine ruhige Erzählweise umso lauter nachhallt.

Mit „Bread of Faith“ und „There Goes a Shadow“ zeigt das Duo, dass auch Hooks und Refrains im düsteren Untergrund möglich sind. Hier schimmert Synthpop durch die Risse der Fassade – ohne je zu glatt zu wirken.

Lyrik als Seelenspiegel
Textlich zerlegen Halfsleeper Beziehungen, ohne zu moralisieren. Statt romantisierter Melancholie gibt es kalte Beobachtungen über Abhängigkeit, Schuld, Begierde und Selbstsabotage. Die Musik klingt dabei manchmal wie ein Tanz am Abgrund – verführerisch und gefährlich zugleich. Besonders „Tortured Souls“ trifft diese Balance auf den Punkt: ein Soundtrack zur inneren Zerrissenheit, elektronisch verhüllt, aber emotional nackt.

Formvollendet im Stil – aber mit wenig Bruchkanten
Wer sich auf Midnight Blue einlässt, bekommt ein Album, das eine starke visuelle Ästhetik besitzt: Man hört förmlich das kalte Neonlicht, die spiegelnden Pfützen, die stumme Großstadt. Die Referenzen zu Bands wie Drab Majesty oder Choir Boy sind nicht zufällig gewählt – Halfsleeper schlagen in die gleiche Kerbe, setzen dabei aber auf mehr Elektronik und weniger 80s-Romantik.

Trotzdem fehlt manchmal der Widerhaken. Die Songs fließen oft zu homogen, die Klangwelt bleibt durchweg in ähnlichen Grautönen – wunderschön, aber auch ein wenig vorhersehbar. Ein experimenteller Ausbruch oder ein gezielter Stilbruch hätte dem Album gutgetan.

Tracklist
  1. Midnight Blue
  2. Remembrance Day (feat. Helders Oliveira)
  3. Bread Of Faith
  4. There Goes a Shadow
  5. Bleach And Gasoline
  6. Cast Away
  7. Tortured Souls
  8. Magnolia
  9. There Goes a Shadow (Son Doong Remix)
  10. Remembrance Day (Lone Wanderer Remix)
  11. Bread Of Faith (Son Doong Remix)
  12. Bleach And Gasoline (Alternative Mix)


Midnight Blue ist ein Debüt, das Atmosphäre über Dramatik stellt, das mit Texturen statt mit Härte arbeitet und das Gefühl vor die Formulierung stellt. Es lebt von seiner ästhetischen Geschlossenheit und der emotionalen Ehrlichkeit, wirkt aber streckenweise zu glatt, um wirklich zu erschüttern. Dennoch: Wer sich nach Musik sehnt, die nachts gehört werden muss und sich anfühlt wie ein Gespräch mit dem eigenen Schatten, ist hier genau richtig.

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