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Andrea Laszlo De Simone - Una Lunghissima Ombra

Ein Album zwischen Anspruch und Atmosphäre


08.11.2025  Jacqueline  0 Likes  0 Kommentare 
Andrea Laszlo De Simone - Una Lunghissima Ombra Bild Andrea Laszlo De Simone - Una Lunghissima Ombra Screenshot Andrea Laszlo De Simone - Una Lunghissima Ombra Foto
Foto: Richard Dumas. Mehr zum Thema Transparenz.

Mit Una Lunghissima Ombra wagt sich der italienische Musiker und Komponist Andrea Laszlo De Simone an ein ambitioniertes Projekt: ein Album, das gleichzeitig als visuelles Gedicht funktioniert. 17 Stücke voller Emotion, Symbolik und musikalischer Details – doch nicht alles funktioniert so, wie es der Künstler wohl gehofft hat.

Sechs Jahre nach Immensità zeigt sich De Simone erneut als Perfektionist. Alles ist von ihm selbst geschrieben, eingespielt und produziert – akribisch, beinahe manisch genau. Doch bei aller Schönheit und Tiefe bleibt dieses Werk oft auf Distanz. Es will groß denken, scheitert aber manchmal an seiner eigenen Ernsthaftigkeit.

Kunst zwischen Licht und Dunkelheit
Die Grundidee ist faszinierend: Licht und Schatten als Sinnbild menschlicher Gedanken und Erinnerungen. Songs wie „Il buio“ und „Ricordo tattile“ eröffnen das Album mit fließenden Übergängen zwischen orchestraler Weite und Intimität. „La notte“ und „Colpevole“ wirken wie aus einem Traum, der kurz vor dem Erwachen zerrinnt.

Doch diese Träume dauern lange – zu lange. Fast jeder Song entfaltet sich gemächlich, verliert sich in Wiederholungen und Soundflächen. Das kann meditativ wirken, manchmal aber auch zäh. Wer auf klare Strukturen oder greifbare Melodien hofft, wird hier eher nachdenklich als begeistert zurückgelassen.

Ein visuelles Gedicht mit Längen
Begleitet wird das Album von einem Filmprojekt – einer 67-minütigen, ruhigen Abfolge aus Naturaufnahmen, urbanen Szenen und stillen Momenten. Es ist beeindruckend, wie sehr Musik und Bild ineinandergreifen, doch auch hier gilt: Die Idee überstrahlt manchmal das Erlebnis.

Stücke wie „Quando“, „Per te“ oder „Un momento migliore“ berühren mit poetischen Texten und einer nostalgischen Wärme. Gleichzeitig bleibt vieles so vage, dass es schwerfällt, emotional einzutauchen. Wo Uomo Donna noch zugänglich und leidenschaftlich war, wirkt Una Lunghissima Ombra intellektueller, fast schon museal – wie ein Kunstwerk hinter Glas.

Musikalisch anspruchsvoll, emotional distanziert
Klanglich liefert De Simone ein faszinierendes Spektrum: klassische Streicher treffen auf psychedelische Elemente, französische Chanson-Melodien auf elektronische Details. Besonders „Quello che ero una volta“ und „Non è reale“ zeigen, dass er das Handwerk des Arrangierens perfekt beherrscht. Doch bei allem Können fehlt manchmal der Funke.

Die Stimme des Turin geborenen Musikers ist sanft, fast fragil – und verliert sich oft in den weiten Klangräumen. Das erzeugt eine träumerische Stimmung, doch sie hält den Hörer selten fest. Zwischen „Diffrazione“ und „Rifrazione“ verschwimmen die Übergänge, als wolle das Album eher kontemplativ wirken als unterhalten.

Für Liebhaber stiller Töne
Wer sich auf die introspektive, fast spirituelle Atmosphäre einlässt, wird viele schöne Momente finden. Una Lunghissima Ombra ist eine Platte für ruhige Nächte, für Menschen, die Musik lieber fühlen als analysieren. Es ist handwerklich hervorragend gemacht, aber emotional schwer greifbar – fast so, als wolle De Simone seine Hörer lieber beobachten, als sie umarmen.

Tracklist
  1. Il buio
  2. Ricordo tattile
  3. Neon
  4. La notte
  5. Colpevole
  6. Quando
  7. Aspetterò
  8. Per te
  9. Un momento migliore
  10. Diffrazione
  11. Pienamente
  12. Planando sui raggi del sole
  13. Spiragli
  14. Quello che ero una volta
  15. Rifrazione
  16. Non è reale
  17. Una lunghissima ombra


Andrea Laszlo De Simone bleibt ein außergewöhnlicher Künstler – sensibel, visionär und kompromisslos. Doch Una Lunghissima Ombra zeigt auch die Schattenseite seiner Kunst: Sie verliert sich in Schönheit und Konzept. Es ist ein Werk zum Staunen, aber nicht unbedingt zum Wiederhören. Ein Album, das mehr bewundert als geliebt wird – wie ein Gemälde, das man aus Respekt betrachtet, aber nie ins Herz schließt.

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