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The Stepfather Review


2010-01-17  Tonio Gas  9 Likes  0 Kommentare 
The Stepfather: Psychothriller, USA 1987, 86 Minuten, Regie: Joseph Ruben, mit: Terry O'Quinn, Jill Shoelen, Shelley Hack, deutscher und englischer Ton, keine Untertitel, Trailer, technische Qualität gut

Amerikanische Albträume und väterliche Gewalt im Hause
Auch "The Stepfather" musste dran glauben. Im Zuge einer Welle, sämtliche Horror-Thriller-Klassiker der Siebziger und Achtziger neu zu verfilmen, ist das Remake gerade eben in den deutschen Kinos gewesen. Ein Anlass, das Original neu auf DVD herauszubringen. Und für Sie sollte es Anlass sein, dessen Qualität zu testen, denn "The Stepfather" ist eine Perle des Genres. Joseph Ruben hat auch in späteren Zeiten sehr gelungene, spannende, effektvolle Psychothriller wie etwa "Das zweite Gesicht" mit Macaulay Culkin ("Kevin allein zu Haus") gedreht. "The Stepfather" ist mit diesen bereits gleichauf. Man merkt ihm den Frühwerk-Charakter ein bißchen an:unbekannte Darsteller, moderate Länge, überschaubare Schauplätze, mehr rohe Gewalt und ein doch sehr der Zeit verhafteter, billig wirkender, blecherner Synthiesizer-Soundtrack. Doch in diesem Korsett weiß Ruben bestens zu unterhalten, zu thrillen, zu schockieren. Vielleicht ist die beste Empfehlung dies: Ich wollte mitten in der Nacht und im Anschluss an meinen "Firepower"-Filmtest nur mal eben fünf Minuten in "The Stepfather" hineinschauen. Es sind die ganzen 86 Minuten geworden.

Schon der Anfang vermag, es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen zu lassen, ist aber auch erkennbar aufmerksam inszeniert und gespielt. Eine minutenlange, wortlose Szene. Die typische "heile" amerikanische Vorstadtstraße. Ein Haus mit Garten in dieser Straße. Das Badezimmer, in dem man sich wäscht, doch "The Stepfather" (er hat wechselnde Namen) kann seine Hände nicht mehr in Unschuld waschen. An seinen Fingern klebt Blut, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit stoischer Ruhe wäscht er es ab, räumt ein bißchen auf, verändert sein Aussehen durch Abrasieren des Bartes - ein Blick in den Spiegel prüft das Ergebnis der Arbeit, doch Spiegel stehen immer auch für Lug und Trug, Täuschung, Persönlichkeitsspiegelungen und -spaltungen. Wir ahnen schon, dass der Mann Täter eines Mordes ist, dessen Spuren er gerade zu verwischen gedenkt. Irgendwann hat er sich dann adrett und fein gemacht, er könnte ein typischer Yuppie der Reagan-Ära sein (so wie der Serienkiller in "American Psycho", im Jahre 2000 mit Christian Bale verfilmt). Auffällig blutrot ist der Ton seiner Krawatte - sonst nichts. Die scheußliche Tat ist mit einem Symbol des Establishments verknüpft und soll unter dessen Deckmäntelchen verborgen bleiben, wird dem Mann aber immer anhaften. Er geht die Treppe hinunter, und sogleich rechtfertigt der Film unsere bereits sorgsam genährten Ängste und die Altersfreigabe: Es ist ein scheußlicher Anblick, eine ganze Familie wurde bestialisch umgebracht. Es ist beängstigend, wie planvoll der Täter vorgeht - gleichzeitig deutet sich etwas an, das auch später im Dialog (etwas zu oft) betont wird: Dieser Mann liebt die Ordnung, und wenn etwas seinem Ordnungsbild von heiler Familie nicht entspricht, muss er zwanghaft "aufräumen": MIT der Tat und NACH der Tat.

Danach setzt die Haupthandlung ein, die nur noch zwei Mal (in der Mitte und am Ende) extrem gewalttätig wird, aber der Film hat bereits jetzt geschickt unsere Angst auf den Plan gerufen. Dadurch kann Ruben die Spannung durchgängig halten, auch wenn längere Zeit keine Schockeffekte zu verzeichnen sind. Es ist ein Jahr vergangen, der Mann nennt sich nun Jerry Blake und hat eine Witwe mit einer sechzehnjährigen Tochter geheiratet. Da wir um seine Tat bereits wissen, gibt es (das ist letztlich beste Hitchcock-Tradition) Spannung durch Informationsvorsprung. Nahezu in jeder Szene werden Hinweise gelegt, dass Blake (wie wir ihn ab jetzt nennen wollen) wieder zuschlagen könnte, dass er den Schein des Saubermanns extrem gut errichtet hat, dass aber Tochter Stephanie Zweifel bekommt. Dadurch begibt sie sich erst recht in Gefahr, denn zum einen droht Blake mitzubekommen, was sie ahnt, und zum anderen glaubt ihr so gut wie niemand. Dieser patente Herr, dieser fleischgewordene Family-Values-American-Dream soll ein psychopathischer Serienkiller sein? Nein, frei nach Christian Morgenstern glaubt hier niemand, dass sein kann, was nicht sein darf. Zudem scheint die Erklärung für Stephanies Ängste denkbar einfach zu sein: Ihr wurde im Teenager-Alter ein Stiefvater vorgesetzt, den sie als Ersatz für den geliebten, verstorbenen leiblichen Vater nicht akzeptieren kann und will. Unzählige Male gab es so etwas schon, psychologisch verständlich wäre ist es ebenfalls. Wir wissen hingegen mehr, wir sehen es mit größter Beunruhigung, wenn der Mann bloß mal - eigentlich unverdächtig - "mein Kind" sagt, ihr die Schulter streichelt und sich Stephanies Liebe mit einem kleinen Hund als Geschenk erkaufen möchte. Und wir zittern mit dieser Tochter, die sich nur unter größten Schwierigkeiten anderen mitteilen kann und für das typische Stiefvaterproblemkind gehalten wird, inklusive der schon archetypischen Verhaltensauffälligkeit in der Schule. Mit dieser wunderbaren Komposition unter steter Berücksichtigung der Einleitungsszene ist "The Stepfather" auch in ruhigen Passagen purer Thriller-Dauerstress. Man möchte förmlich den Figuren zurufen, dass sie doch einmal genauer auf die kleinen Zeichen unter der Oberfläche achten mögen - versteht aber gleichzeitig, dass das für sie schwierig ist, und kann dadurch die Bedrohung ins Unerträgliche gesteigert nachempfinden.

Gibt es so etwas wirklich? Ja!
Man kann sich einen Moment fragen, ob das letztlich nicht doch nur ein, wenn auch guter, Genre-Thriller ist, bei dem die Gesetze des Genres über die Glaubwürdigkeit triumphieren. Doch gerade einen scheinbaren Gegensatz gibt es in der Realität wirklich, ich musste an einen der scheußlichsten Verbrecher der letzten Jahre denken: Josef Fritzl, den Mann, der Familienmitglieder jahrzehntelang in einem Kellerverlies im österreichischen Amstetten unter den schlimmsten Bedingungen eingekerkert hatte, die man sich vorstellen kann. Dieser Mann ist offensichtlich in der einen oder anderen Weise pervers, aber gleichzeitig hat er es nahezu perfekt verstanden, äußerst planvoll vorzugehen, jahrzehntelang keine Fehler zu machen und im Ort einen untadeligen Ruf zu führen. Ähnlich ist es bei Blake in "The Stepfather". Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass das kein Hollywood-Schwachsinn ist, dann wird dieser Film noch beängstigend besser. Anders als beispielsweise bei Fritzl-Dokumentationen können wir in "The Stepfather" dieses seltsame Ambivalenz sehen, mitfühlen und miterleben, da wir Blake auch dann beobachten, wenn er unbeobachtet ist oder sich unbeobachtet wähnt. Dann droht er ständig auszurasten. In Gesellschaft hingegen kann er sich perfekt als Saubermann verkaufen. Manchmal droht das umzukippen, auch daraus bezieht der Film seine große Spannung. Doch im Wesentlichen werden wir mit dem Erschrecken über diese Gegensätzlichkeit allein gelassen, bei mir immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Das gibt es wirklich.

Am Schluss ein bißchen Stil-Bewertung
Joseph Ruben ist nicht ganz perfekt, aber überwiegend gut darin, die oben geschilderte Konstellation zu inszenieren, und man hat den Eindruck, hier ist nichts dem Zufall überlassen. Das Rot des Blutes ist eine Farbe, die auch in den unblutigen Szenen immer wieder bedrohliche Akzente setzt, ob das nun die Krawatte des Mörders oder ein markanter Busch im Garten der Blakes ist. Die Schnitte und Szenenübergänge deuten immer wieder auf die drohende Gefahr vor allem für Stephanie hin. Einmal legt sich in einer bedrohlich langsamen Überblendung das Gesicht Blakes über dasjenige von Stephanie. Einmal wird bei einem Grillfest (wieder so ein typisches Vorstadtritual) über den unaufgeklärten Familienmord vor über einem Jahr geredet - auf die Frage, warum jemand seine Familie umbringe, meint Blake: "Vielleicht hat sie ihn enttäuscht." Und der Schnitt wechselt nicht zufällig auf Stephanie. Geschickt verknüpft Ruben psychologische Inszenierungstricks mit betont alltäglichen Situationen und Umständen. Immer wieder (vielleicht ein bißchen zu oft) ist die Rede davon, dass Blake ein traditioneller Anhänger der klassischen Family Values ist. Damit verbindet man unter anderem das häusliche Leben. Blakes Tatorte sind amerikanische Vorstädte. In seiner Existenz als Blake ist er Immobilienmakler und verkauft gerade solche Vorstadthäuser. Seinen Tatort hat er sich nach dem Werbespruch der Stadt ausgesucht: "the place to raise a family". In seinem Beruf muss er Leute einwickeln können, genau wie zur Verschleierung seiner Taten. Auf dem Grillfest beschreibt er seine Tätigkeit so: "Ich verkaufe den amerikanischen Traum." Mein Haus, mein Garten, meine Familie. Ein Vogelhaus, das Blake in seinem Hobbykeller zusammenzimmert und schließlich im Garten aufrichtet, symbolisiert dies ebenfalls. Doch aus Träumen werden Albträume, die heile Ordnung darf nicht gestört werden. Gerade der Hobbykeller ist der filmische Ort, an dem das Böse herauszuplatzen droht. Zum einen ist das wieder so ein klischeehafter Ort - Frauen kochen, Männer heimwerkern im Hobbykeller - zum anderen ist er psychologisch geschickt gewählt und inszeniert. Er liegt unter der Oberfläche und zeigt, was bei Blake unter der Oberfläche verborgen ist. Hier kann Blake die Sau rauslassen, hier rastet er auch mal aus, dieser Keller ist der Ort seiner perversen Wünsche, Gedanken, Gelüste, seiner kranken Gewalt. Die in einem solchen Keller üblicherweise vorhandenen Gegenstände (wie Sägen, Hämmer und Messer aller Art) schaffen nicht nur Thriller-Spannung, sondern zeigen auch: Unter der Erde ist etwas Brutales, das immer an die Oberfläche zu gelangen droht. Farblich ist dieser dunkle Ort des Abgrundes der Seele übrigens nicht von Rot-, sondern von Gelbakzenten dominiert, und zwar einem aggressiven Gelb - das zeigt schroffe Zerrissenheit eines unsteten, nicht in sich ruhenden Menschen, die sich Bahn brechen will (kein Witz: Man erklärt auch farbpsychologisch, dass man "yellow press" nennt, worin sich Intimes und Sensationslüsternes einen Weg an die Oberfläche bahnt und sozusagen schreiend herausplatzt). Gegen Ende übrigens ist Ruben jenseits des Slasher-Effektes nicht minder inszenierungssicher - den nachfolgenden Absatz der Schlussanalyse bitte nicht lesen, wenn Sie das Ende noch nicht zu genau kennen wollen.

Das Beste kommt zum Schluss? Analyse des Endes (Spoiler)
Das Ende ist gelegentlich ein bißchen forciert inszeniert, Ruben wäre wohl auch mit weniger Hitchcock-Zitaten ausgekommen. Die Vögel, die in einem bedrohlichen Moment von der Hochspannungsleitung wegfliegen, hätten nicht sein müssen. Wenn Stephanie inklusive eines Top Shots zu duschen gedenkt und Blake schon mit einem langen Messer hinter ihr her ist, argwöhnen wir, ob Ruben auf das soundsovielte "Psycho"-Zitat nicht besser verzichtet hätte. Ein zerberstender Spiegel hat mich an Brian de Palmas "Carrie" erinnert (ein Regisseur, der selbst ausgiebig Hitchcock zitiert). Letztlich jedoch erweisen sich auch diese Kniffe als stimmig oder zumindest nicht störend. Der Dusch-Mord oder versuchte Dusch-Mord bleibt entgegen den geweckten Befürchtungen aus, stattdessen bekämpfen Stephanie und Blake einander mit dem Messer sowie mit einem aus dem kaputten Spiegel herausgenommenen Messer-Stück. Indem Stephanie sowohl das eine als auch das andere einsetzt, bekämpft sie Blake letztlich mit dessen eigenen Waffen. Da ahnen wir auch (was aber dem Genregesetz gemäß sowieso nicht besonders überraschend sein dürfte), dass Blake nicht überleben kann. Der Spiegel (seine Täuschung) ist zerbrochen, er kann nicht mehr jemand anders sein, er ist jetzt das brutale Schwein, und Stephanie rammt ihm diese Botschaft mit aller Kraft in den Arm, indem sie zur Verteidigung eben einen Spiegelsplitter als Messer benutzt. Am Ende steckt Blakes eigenes Messer, von Stephanie geführt, in Blakes Herz. Er hatte ja immer geglaubt, ein Herz zu haben, ein Herz für Kinder und heile Familien, in denen sie aufwachsen. Doch wie falsch das war, sehen wir spätestens, wenn das Kind Blakes eigene Waffe gegen ihn wendet. Er hatte nie ein Herz, und was im übertragenen Sinne sowieso klar war, erfährt nun einen, ähem, stichhaltigen Beweis.

Und nun wieder weiterlesen: Fazit und Zusammenhänge
Man kann hier also gewaltig psychologisieren, aber auch einen extrem spannenden und manchmal ziemlich blutigen Thriller sehen. Er stellt den Wert der Familie nicht in Frage, warnt aber davor, die Oberfläche des Familienglücks zu einer heiligen Kuh zu erklären und die darunter mitunter verborgene Gewalt nicht mehr wahrzunehmen. Der Film heißt "The Stepfather", aber ob der Vater nur stief ist oder nicht, scheint mir gar nicht so wichtig. Vielleicht war er ja bei seiner ersten Untat leiblicher Vater. Der Film steuert nicht so sehr darauf hinaus, dass jemand von außen die heile Familie bedroht. Sicherlich, Blake sehnt sich nach ihr, und er sucht sich immer wieder neue Familien. Aber er dringt in sie ein und wird ein Teil von ihnen, und erst dann schreitet er zur schrecklichen Tat. Er begeht sie aus dem Schutz der Familienbande hinaus, und aus dem Schutz, dass so eine Fassade gewisse Bürger einfach blind macht (war es nicht auch beim erwähnten Josef Fritzl so?). Er ist mehr Vater als Stiefvater, und wir sehen nicht die äußerliche, sondern die häusliche väterliche Gewalt (wie man das ja auch ohne den "gewalttätigen" Doppelsinn des Wortes nennt). In einer Filmzeitschrift hatte seinerzeit einmal jemand vorgeschlagen, zum Thema "Gewalt in der Familie" ein Double Feature mit "The Stepfather" und "Eine verhängnisvolle Affäre" zu veranstalten. Beide Filme kamen zur etwa gleichen Zeit heraus, der Letztere (mit Stars wie Michael Douglas und Glenn Close) wurde damals wesentlich bekannter und ist es noch heute. Doch "The Stepfather" ist der um Längen bessere Film! "Eine verhängnisvolle Affäre" zeigte in der moralinsauren Zeit der Aids-Hysterie die Bedrohung der Familie von außen (merke: Ein Seitesprung kann tödliche Folgen haben; die abgelegte Geliebte trachtet der Familie des Geliebten nach dem Leben). "The Stepfather" zeigt sie von innen. Die heile Familie ist da nicht eine feste Burg, die aggressiv genommen zu werden droht, sondern sie trägt den Schrecken schon mitten in sich (wobei der Film immer nur sagt, dass eine Familie das kann, aber nicht muss). Das ist beunruhigender, aufrichtiger, und es wird bei allen saftigen Genrezutaten komplexer gezeigt. Gewisse Überdeutlichkeiten in der Inszenierung (immer wieder die obsessiven Sprüche Blakes von heiler Familie, immer wieder dieses Vogelhaus, immer wieder die Rede vom "Ordnung schaffen") sind verziehen und kosten nur wenige Punkte in der Gesamtwertung.

Beängstigend guter, kleiner, fein inszenierter, brutaler Psychothriller über die Perversion von family values, und wie dies in nackte Gewalt bei gleichzeitig geschickter Tarnung umschlagen kann.

Punktewertung

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   Titel The Stepfather - Kill, Daddy, Kill
   Genre
   Release 2010-01-08
   Systeme
   Publisher Indigo
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 18 Jahren Jahren
   Homepage
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