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The Bolshoi Brothers - The Bolshoi Brothers Review

Wenn Nostalgie und Gegenwart sich nicht entscheiden können


2025-03-27  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Foto: Matus Foris & Cathy Sorbo. Mehr zum Thema Transparenz.

Mehr als 35 Jahre nach dem Ende von The Bolshoi haben sich Trevor Tanner und Paul Clark wieder zusammengetan – nicht als Reboot der alten Band, sondern unter neuem Namen: The Bolshoi Brothers. Ihr gleichnamiges Debüt erscheint als CD, Kassette und auf schwerem 180g-Vinyl – doch so solide das Packaging ist, musikalisch bleibt vieles wacklig. Die Erwartungen an ein solches Projekt sind zwangsläufig hoch, insbesondere wenn eine Band aus der 80er-Wave-Ära wieder auftaucht, deren Sound zwischen düsterem Rock, Post-Punk und Artpop pendelte. Doch wer hier eine glorreiche Rückkehr oder ein mutiges Statement erwartet, wird wohl eher enttäuscht zurückbleiben.

Zwischen Retro-Feeling und kreativer Unsicherheit
Was sofort auffällt: Die Produktion ist erstaunlich homogen, obwohl das Album während der Pandemie aus zwei entfernten Studios in Florida und Seattle zusammengebaut wurde. Das verdient Respekt – und ja, es gibt Momente, in denen die alte Magie zwischen Tanner und Clark aufblitzt. Songs wie „Just a Girl“ oder „Beautiful Creature“ versuchen, eine melancholische Tiefe zu erzeugen, die entfernt an Mark Knopfler oder David Grey erinnert. Der Opener wirkt ambitioniert, bleibt aber letztlich zu brav, zu glatt – ein bisschen wie eine Szene aus einem Film, der nicht ganz weiß, was er erzählen möchte.

Die Bolshoi Brothers wollen sicher keine bloße Nostalgie bedienen – das merkt man. Trotzdem scheint ihnen ein klares Ziel zu fehlen. Mal geht es Richtung Indie-Rock, kurz darauf dominieren akustische Folk-Vibes („Cowboy Chords“) oder leicht psychedelische Strukturen. Diese Vielfalt könnte spannend sein, wäre da nicht die durchgängige Beliebigkeit, die vielen Tracks anhaftet. Manches wirkt wie ein Überbleibsel aus alten Sessions, anderes wie spontane Ideen, die nicht weiterverfolgt wurden. Der rote Faden? Leider oft nicht zu erkennen.

Zwischen cleveren Lyrics und fehlender Spannung
Textlich zeigen sich Tanner und Clark durchaus versiert. Zeilen wie „Ghosts of the Past“ oder „Platitudes Of Scorn“ deuten eine Reflexion über Vergänglichkeit, Lebensentscheidungen und moderne Isolation an. Doch auch hier bleibt vieles an der Oberfläche. Gerade in einem Werk, das während der weltweiten Lockdowns entstanden ist, hätte man mehr Tiefe erwartet – oder zumindest mehr Mut zur Eigenwilligkeit. Stattdessen wirkt vieles wie musikalisches Flickwerk, von Nostalgie durchtränkt, aber ohne echten Biss.

Tracklist
  1. Just A Girl
  2. Suburbs
  3. Ghosts Of The Past
  4. Steam Funk
  5. Cowboy Chords
  6. Cauldron of Despair
  7. Beautiful Creature
  8. Mr Ridiculous
  9. Platitudes Of Scorn
  10. Built In Obsolescence
  11. This Town


The Bolshoi Brothers ist ein Album, das viele Fragen offenlässt. Es zeigt, dass die beiden Musiker technisch und kreativ einiges auf dem Kasten haben – aber ebenso, dass sie zwischen Rückblick und Neuanfang zerrieben werden. Der Sound ist solide produziert, manche Melodien eingängig, doch das große Ganze wirkt unentschlossen. Wer alte Bolshoi-Platten geliebt hat, wird hier ein paar nostalgische Momente finden. Wer aber auf ein starkes künstlerisches Statement gehofft hat, dürfte eher enttäuscht sein. Man hätte sich mehr Vision, mehr Mut und vor allem mehr Ecken und Kanten gewünscht. So bleibt ein Album, das leider nie ganz bei sich selbst ankommt.

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