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The Woman Review


2012-11-14  Dean  14 Likes  0 Kommentare 

"Wir wollen ihr helfen, sie zivilisieren. Das ist unser Projekt"

Überblick

Der Film "The Woman" (Blu-Ray 2011) wirkt zunächst wie ein typischer Horror-Splatter à la "Wrong Turn" (DVD 2003) oder "The Hills have Eyes" (DVD 2006): Eine blutverschmierte Frau in einem zerrissenen, in Blut getränkten Kleid steht mit einer blutigen Rasenmäherklinge auf einem Feld in dem das FSK 18 Logo und ein "UNCUT" auf genau eines Hindeuten: Blut! Jedoch, sieht man sich den Trailer an bemerkt man schnell, dass hier die Situation eine denkbar andere, als in den oben genannten Splatter-Filmen ist: Nicht die "normalen" Menschen sind hier die Opfer, sondern die vermeintlich Abnormale ist es! Gefesselt in einem Keller ist sie schutzlos dem Familienoberhaupt der anscheinenden Bilderbuchfamilie "Cleek" ausgeliefert, der ihr ja nur "helfen" und sie "zivilisieren" will.

Inhalt

Der Beginn des Filmes ist bereits untypisch für einen Splatter. Während in anderen Filmen des Genres am Anfang eine Gruppe Jugendlicher - zumeist eine Blonde, ein Sportler, eine Schüchterne, ein Afroamerikaner und ein Kluger - oder eine vergleichbar normale Gruppe aus der Gesellschaft vorgestellt und in die ersten Schritte ihres Verderbens geleitet wird, stellt der Regisseur Lucky McKee in "The Woman" sofort klar, worum es ihm geht. In den ersten Minuten sieht man die Frau: verwildert, rau, wildtierhaft, ungepflegt (bis auf die Achseln), wie sie durch die Wälder streift und durch einen Fluss watet. Man hört ihren Atem, ihren Herzschlag, die Geräusche des Waldes und nach und nach Laute, die an einen jungen Hund erinnern. In langatmigen, fast schon anstrengend angespannten Szenen wird "die Frau" für den Rest des Filmes in der Rolle eines Tieres positioniert.

Nach der Vorstellung der namensgebenden Figur zerreißt die Spannung der ersten Minuten und ihr Antagonist wird vorgestellt: Chris Cleek - ein überaus freundlicher Anwalt mit einem sonnigen Gemüt, welches er auf einer Grillfeier einer alten Freundin und Nachbarin zur Schau stellt. Seine Tochter entspannt sich am Pool, sein Sohn spielt Basketball und seine Frau unterhält sich mit den anderen Gästen. Eine völlig normale, amerikanische Familie eben. Sieht man jedoch genau hin und beobachtet das fabelhafte Spiel der Schauspieler um Sean Bridgers alias Chris Cleek, so spürt man bereits eine Geschichte hinter dieser scheinbar makellosen Fassade. Die Figurenkonstellation und ihre Beziehungen zueinander scheinen durch etwas Ungreifbares und Erdrückendes bestimmt; ein Geheimnis was sie alle verbindet. Was es genau ist erfährt man jedoch wortwörtlich in den letzten Momenten des Filmes.

Die Frau im Wald

Alles ändert sich, als Chris Cleek eines Morgens zum Jagen in die Wälder rund um sein Haus fährt. Dort, tief in der Abgeschiedenheit der Wildnis, entdeckt er "die Frau", die vom ersten Moment an seine Aufmerksamkeit fesselt. Er beschließt sie am nächsten Tag zu entführen, in seinem Keller einzusperren und sie zu "zivilisieren". Hierfür baute er eine Vorrichtung, die sie an den Streben des Gewölbes durch Stahlseile fixiert, wobei er durch einen Seilzug die Fessel spannen oder lockern konnte; je nachdem wie viel Bewegungsfreiheit er für nötig hielt, um ihr zu "helfen".

Spätestens als er tatsächlich "die Frau" gefangen und in den Keller geschafft und seine Familie zur Vorführung der großen "Überraschung" mitgebracht hatte, wird auch dem Zuschauer mit der längsten Leitung klar: Irgendetwas stimmt mit dieser Familie nicht! Die Töchter - wohlgemerkt eine von ihnen im Grundschulalter - stehen nur da, die Ehefrau fragt sich nicht einmal woher sie kommt und der Sohn fragt seinen Vater mit Leuchten in den Augen "Können wir sie wirklich behalten?"

Um ihr zu "helfen" wird sie mit Haferbrei gefüttert, mit einem Hochdruckreiniger für Gartengeräte sauber gemacht und mit einem hübschen Kleid ausgestattet. Nach und nach lässt sie sich sogar von Chris Cleek füttern und scheint wortlos eine Freundschaft mit der älteren Tochter Peggy Cleek einzugehen, deren Geheimnis "die Frau" zu kennen scheint. Die jüngste Tochter spielt ihr auf dem Radio ein paar Songs, da dies sie selbst immer fröhlich machte, wenn sie traurig war. Es scheint, dass die "Zivilisierung" der Frau mit großen Schritten voran geht, jedoch bleibt da das große "Etwas", was die gesamte Familie im der Gewalt hat. Durch kleine Blicke, durch Bewegungen, durch fast unsichtbare Momente im Film und durch schier nicht enden wollende Szenen wird eine Spannung erzeugt die nicht wie erwartet von "der Frau", sondern von der Familie herrührt. Das kleine Mädchen, was scheinbar unbekümmert über "die Frau" ihren Kindereien nachgeht, die Ehefrau die fast schon apathisch aus dem Fenster sieht, die Tochter die sich verkrampft und weite Kleidung bevorzugt und der Sohn, der gefallen daran findet, die Hunde im Schuppen mit dem Schlauch zu quälen - wieder drängt sich das beklemmende Gefühl auf, dass etwas nicht stimmt!

Der erste Hinweis darauf was dieses "Etwas" ist kommt, als die Ehefrau Zweifel an der Richtigkeit ihres Handelns äußert und mitten im Wort eine Ohrfeige vom Mann bekommt. Der nächste Hinweis findet sich, als die lesbische Lehrerin von Peggy Cleek ihrer Partnerin gegenüber den Verdacht äußert, dass die junge Frau schwanger sein könnte. Außerdem verschwindet eines Nachts Chris Cleek in den Keller und wird von seinem Sohn dabei beobachtet, wie er "die Frau" vergewaltigt.

Des weiteren verkrampft sich Peggy Cleek, als ihr Vater sich zu ihr aufs Bett setzt und mit ihr reden will und der Sohn bohrt ein Loch in die Tür zum Keller, um "die Frau" jederzeit beobachten zu können.

Die Eskalation

Erst, als Brian Cleek eines Tages früher von der Schule heimkommt und - in dem Glauben er sei allein - zu "der Frau" in den Keller geht, um sie mit einer Zange zu quälen und sich dabei selbst anzufassen, platzt die Blase aus Spannung, Unwissenheit und Paradoxie, die sich seit Beginn des Filmes aufgebaut hatte. Peggy, die wegen ihres Unwohlseins zu Hause geblieben war, erwischt Brian und stellt ihn zusammen mit der Mutter zur Rede. Als Chris Cleek von der Arbeit Heim kommt konfrontieren sie ihn mit der Tat seines Sohnes, doch anstelle ihn zu bestrafen verharmlost er die Sache und meint "er hat eben Bedürfnisse". Anschließend schlägt Chris noch seine Frau nieder, als diese droht ihn zu verlassen....

Fazit

"The Woman" (Blu-Ray 2011) ist - obwohl definitiv sehr blutig und mit einigen expliziten Gewaltszenen - kein "klassischer" Splatter Film. Hierfür hat er zu viel Tiefe, zu viel Hintergrundstimmung, zu viele kleine, fast unbemerkbare Details, die einem erst nach dem zweiten oder dritten Mal wirklich auffallen. Während man in anderen Filmen des Genres mehr oder minder von vornherein weiß, wer die Bösen und wer die Guten sind, weiß man in "The Woman" oftmals nicht einmal wer "normal" und wer "abnormal" ist. Die Grenze des Verstehens und Begreifens dieser Definitionen wird in diesem Film so oft bis zum Äußersten getrieben, dass man schlichtweg spätestens nach der "Hochdruckreiniger-Szene" Partei für "die Frau" ergreift und sich befriedigt ein "jawohl!" entfahren lässt, als sie... Moment, wir wollen Euch ja nicht spoilern!

Was ist zivilisiert? Was ist normal? Wie weit geht die Macht eines Mannes über seine Familie? Wie weit geht Angst? Wie sehr versteht uns ein Wesen, was zwar aussieht wie wir, aber nicht aufgewachsen und erzogen ist wie wir?

Der Film wirft viele Fragen auf und bietet fast unbegrenzten Interpretationsstoff und zudem noch eine breite Fläche zum Diskutieren und zum Meinungsaustausch - was man wohl von den wenigsten Splattern sagen kann. Zudem haben sowohl die Schauspieler als auch der Regisseur und die Postproduktion eine wahre Meisterleistung in ihrem Handwerk geleistet. Technisch zwar keine high-end Produktion, hat es der Regisseur Lucky McKee geschafft subtil, unterschwellig, durch kleine Gesten, Blicke und Worte, durch lange Szenen und scheinbar unbedeutende Momente eine Spannung in den ersten 2/3 des Filmes aufzubauen, die er dann gekonnt und meisterlich im großen Finale gelöst hat. In den 101 Minuten des Filmes gibt es wohl keine Szene, die nicht durchdacht und präzise platziert wurde.

Durch und durch ein gelungener Film auch ohne Starbesetzung oder Special Effects. Regie, Postproduktion, Schauspiel und Szenenbild - mehr braucht ein guter Film ja auch nicht!


Einer der wenigen Splatter über die man reden und diskutieren kann!

Punktewertung

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   Titel The Woman
   Genre
   Release 2011-12-09
   Systeme
   Publisher Capelight Pictures (AL!VE)
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 18 Jahren Jahren
   Homepage
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