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The Perfect Neighbor Review

Wie ein Nachbarschaftsstreit zu tödlicher Gewalt eskaliert


2025-11-01  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Der Dokumentarfilm „The Perfect Neighbor“ (2025) wirft einen eindrücklichen Blick in eine scheinbar ruhige Nachbarschaft in Florida, in der eine banale Beschwerde über spielende Kinder zur tödlichen Schuss-Tragödie wird. Regisseurin Geeta Gandbhir nutzt fast ausschließlich Body-Cam- und Ermittleraufnahmen, um den fatalen Konflikt zwischen der Nachbarin Susan Lorincz und der Mutter von vier Kindern Ajike “AJ” Owens zu rekonstruieren – und stellt damit nicht nur ein Verbrechen dar, sondern wirft einen schonungslosen Blick auf Rassismus, Angst und die gesellschaftlichen Bedingungen, die solche Situationen möglich machen.

Intensives Dokumentar-Kino mit Body-Cam als Stilmittel
Was sofort auffällt: „The Perfect Neighbor“ verzichtet weitgehend auf klassische Interviews oder Nachstellungen – stattdessen erleben wir das Geschehen aus der Perspektive laufender Polizei-Kameras, 911-Anrufen und Sicherheitsaufnahmen. Diese Nähe erzeugt eine bedrückende, kaum loszulassende Atmosphäre, vergleichbar mit einem echten Thriller, der aber auf wahren Begebenheiten beruht. Die Technik wirkt hier kaum wie Mittel zum Zweck, sondern wie Bewusstmachung: Man ist nicht Zuschauer, sondern stiller Beobachter eines eskalierenden Alptraums.

Wenn Nachbarschaft zum Pulverfass wird
Im Zentrum steht ein vermeintlich kleiner Konflikt: Kinder spielen in der Nähe des Hauses von Susan Lorincz, die sich zunehmend belästigt fühlt. Aus den Berichten und Aufnahmen wächst ein Bild von Dauerbelastung, Verbitterung und wachsender Feindseligkeit – bis zu jenem Moment, in dem ein Schuss fällt. Der Film zeigt: Gewalt beginnt nicht im Ausnahmezustand, sondern im Alltäglichen. Der Abstand zwischen Spiel und Tod, zwischen „einfach nur Ruhe wollen“ und tödlicher Eskalation ist hier erschreckend kurz.

Gesellschaftlicher Spiegel und juristische Fallgrube
Doch „The Perfect Neighbor“ ist mehr als der dokumentierte Ablauf dieses Einzelfalls. Der Film thematisiert die Rolle von Floridas „Stand Your Ground“-Gesetzgebung, von institutionellen Strukturen und von Vorurteilen – und wie sie in einer Gemeinschaft wirken, in der ein weißer Konflikt durch eine schwarze Familie beantwortet wird. Er zeigt, wie Angst sich verklärt, wie Lebensrealität und Wahrnehmung auseinanderdriften. Ein Aspekt, der berührt: Die Gemeinschaft wird nicht als isoliertes Opfer gesehen, sondern als lebendiger Organismus – und gleichzeitig als Raum, der versagt hat.

Herausragende Momente und kleine Schwächen
Die dokumentarische Technik von „The Perfect Neighbor“ überzeugt durch Klarheit und Brutalität. Es gibt kaum Schnitte, kaum Filter – das Rohmaterial spricht für sich. Besonders eindrucksvoll sind Szenen, in denen die Kinder spielen oder Nachbarn sich kümmern – ein Kontrast zu der Spannung, die sich aufbaut. Dennoch bleibt der Film nicht frei von Fragen: Manche Zuschauer:innen kritisieren, dass bestimmte Hintergründe – etwa vorangegangene Aktionen oder psychische Belastungen der Beteiligten – nur angedeutet bleiben. Doch gerade diese Zurückhaltung lässt Raum für Interpretation – und macht die Wirkung nicht geringer.

„The Perfect Neighbor“ ist ein wichtiger Dokumentarfilm unserer Zeit: verstörend, relevant und visuell klar. Er zeigt, wie aus kleinen Rissen im sozialen Gefüge Tyrannei, Angst und Gewalt wachsen können – und wie das Rechtssystem dabei mitspielt. Wer sich auf diesen Blick einlässt, wird nicht nur unterhalten – er wird konfrontiert. Und zwar mit Fragen, die weit über einen einzelnen Vorfall hinausgehen. Eine ebenso notwendige wie schwierige Stunde Kino-Wahrheit.

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