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The Other Review

Ein Horrorfilm, der Grenzen ignoriert


16.11.2025  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
The Other Review Bild The Other Review Screenshot The Other Review Foto

The Other“ gehört zu diesen Filmen, die man kaum jemandem wirklich empfehlen kann – und gleichzeitig auch niemandem vorenthalten möchte. Ein widersprüchliches Erlebnis, das sich erst leise heranschleicht, dann langsam den Boden unter den Füßen verliert und schließlich in einem dritten Akt explodiert, der irgendwo zwischen Genie, Wahnsinn und purer Geschmacklosigkeit schwebt. Genau das macht den Film so schwer greifbar und so einprägsam.

Regisseur und Autor Paul Etheredge wirft sein Publikum mitten in eine Geschichte, die mit einem bekannten Horror-Trope beginnt: ein Paar, ein unerfüllter Kinderwunsch, ein adoptiertes Mädchen mit einer tragischen Vergangenheit. Alles wirkt anfangs fast schon zu vertraut, zu gemütlich – als würde der Film darauf warten, endlich die Maske fallen zu lassen. Und genau das tut er.

Zwischen Familiendrama und surrealem Albtraum
Im ersten Drittel arbeitet „The Other“ noch mit einer Art gedämpfter Spannung. Kleine Unstimmigkeiten, merkwürdige Zwischenfälle, Vorahnungen, die man aus dutzenden Genrebeiträgen kennt. Doch schon früh fällt auf: Die Figuren handeln seltsam. Nein, nicht nur seltsam – unrealistisch. Entscheidungen wirken impulsiv, medizinische und logische Abläufe werden ignoriert, und die Dynamik innerhalb der Familie hat einen so unangenehm sprunghaften Ton, dass man sich unweigerlich fragt: Soll das so?

Das irritiert, aber es bindet auch. Denn irgendwo hinter der Absurdität lauert ein dunkler, verstörender Kern, der neugierig macht. Besonders die Figur der jungen Avangeline Friedlander sticht heraus – sie spielt die Adoptivtochter mit einer Mischung aus fragiler Stille und beunruhigender Präsenz. Dylan McTee überzeugt als Vater, der zwischen Sorge, Verdrängung und purem Überleben pendelt. Einige Rollen – insbesondere Olivia Macklins Mutterfigur – wirken dagegen überzeichnet und merkwürdig dirigiert, als wäre der Film sich selbst nicht sicher, was er mit ihnen anfangen soll.

Ein Film, der Mut hat – und manchmal daran scheitert
Gerade die ersten beiden Akte sind eine Achterbahnfahrt aus Spannung, Verwirrung und unbeabsichtigter Komik. Szenen, die eigentlich furchteinflößend sein sollen, werden teilweise so überzogen dargestellt, dass man eher schmunzelt. Gleichzeitig erzeugt diese Unberechenbarkeit ein seltsames, fast magnetisches Gefühl: Man will wissen, wohin das alles führt.

Optisch überrascht „The Other“ mit einigen starken, verstörenden Momenten. Die Practical Effects sind mal gelungen, mal unfreiwillig trashig, aber immer mutig. Es gibt Einstellungen, die hängenbleiben – nicht immer, weil sie gut gemacht sind, sondern weil sie so kompromisslos auf Ekel und Schock setzen.

Der finale Absturz in den Wahnsinn
Und dann kommt der dritte Akt. Der berüchtigte dritte Akt, der seit Monaten in Horror-Communities diskutiert wird. Ohne Details zu verraten: Der Film eskaliert in einem Tempo, das völlig enthemmt wirkt. Logik wird über Bord geworfen. Medizinische und körperliche Realitäten existieren nur noch als grobe Richtwerte. Es ist grotesk, brutal, absurd und – ja – irgendwie faszinierend. Ein Finale, das man so schnell nicht vergisst, egal ob man es liebt oder hasst.

Manche werden sich kopfschüttelnd abwenden, andere jubeln, wieder andere lachen fassungslos. Genau in dieser Reaktionenspanne liegt der Reiz des Films. „The Other“ versucht gar nicht, realistisch zu sein. Er will überfordern, schockieren, irritieren – und das gelingt ihm zweifellos.

Große Ideen, unkontrollierte Ausführung
Hinter dem Chaos steckt tatsächlich ein thematischer Kern. Trauma, Verdrängung, familiäre Abgründe, die Frage, was ein „fremdes“ Kind mit einem ohnehin brüchigen Familiengefüge anrichten kann – all das steckt irgendwo drin. Doch der Film entwickelt daraus keine stringente Aussage. Er wirft Motive in den Raum, spielt damit und verliert sie wieder, sobald der nächste groteske Effekt ruft.

Gerade das macht „The Other“ aber auch eigenständig. Er ist weder klassischer Grusler noch spirituelle Mystery noch reiner Gore – er ist alles davon und gleichzeitig nichts davon. Ein hybrider Albtraum, der sich konsequent jeder Erwartung entzieht.

„The Other“ ist kein guter Film – aber ein bemerkenswerter. Ein Horrorwerk, das Mut hat, überdreht, übertreibt und an vielen Stellen komplett entgleist, dabei aber eine seltsame, verstörende Faszination entwickelt. Starke Kinderdarsteller, wilde Ideen und ein Finale, das man wirklich gesehen haben muss, machen den Film zumindest zu einem Erlebnis. Wer Horror nur für klare Logik, Feinschliff und stringente Erzählungen schaut, wird hier verzweifeln. Wer aber Lust auf einen schrägen, mutigen Genrewurf hat, findet in „The Other“ einen verstörenden, wenn auch sehr ungleichmäßigen Trip.

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