Filme » Reviews

Stagecoach Review


2010-07-17  Tonio Gas  10 Likes  0 Kommentare 
Stagecoach, USA 1939, 92 Min., Regie: John Ford, mit Claire Trevor, John Wayne, Thomas Mitchell, deutsch mit teils schauerlicher, neuer Musik, englisch o. UT, Bildqualität schwankt von gut bis reichlich verkratzt

Die Mutter der "erwachsenen" Western
Das ist ungewöhnlich für die Reihe "vergessene Western", die ansonsten eher Filme aus der zweiten und dritten Reihe ausgräbt. "Stagecoach" hat einen gewissen Kultstatus, ist von einem großen Westernregisseur und gilt Filmhistorikern als der Streifen, der den Western von seinem schlechten Ruf befreite. Zuvor was es ein Schmuddelgenre, zwar mit Kultfiguren und artistischen Meisterleistungen der Stuntleute, aber als ernstzunehmendes Drama und/oder Glamour-Star-Vehikel nicht zu gebrauchen. John Wayne hatte 1939 schon zig Western gedreht, galt aber als minderwertig gegenüber A-Stars wie Greta Garbo, Bette Davis, Fredric March, Clark Gable und Konsorten. Damit räumt John Ford in "Stagecoach" in der Tat auf, und dennoch ist sein Film Ur-Western, wie es nur geht. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen muss eine gefährliche Postkutschenfahrt übersteht, keinesfalls allesamt aufrechte US-Pioniere. Ford und sein erstklassiges Darstellerteam zeichnen eine große Zahl komplexer Charaktere, die alle ihre Kanten, teils ihre "Leiche im Keller" haben. Alles aufzuzählen würde den Rahmen einer Rezension sprengen (nicht umsonst ist "Stagecoach" einer der Filme, dem eine Buchreihe eine vollständige Nacherzählung mit Einzelbildern und Dialog gewidmet hat). Beispielhaft sei auf einen feisten Banker hingewiesen, der unsympathisch herüberkommt und von dem wir krumme Geschäfte vermuten, der uns aber auch auf seine Seite zieht, wenn Ford ein für die Haupthandlung unwichtiges Detail mit seiner Gattin einflicht. Diese gehört zu einem schrecklich bigotten Tugendkomitee, und wir sehen deutlich im Gesicht des Bankers, dass sie ihm damit gehörig auf die Nerven geht.

Zusammengepfercht in der Postkutsche gelten bald eigene Gesetze, und einen bigotten Moralkodex kann man hierbei nicht brauchen. Im Zentrum der Handlung stehen eine Frau, die offensichtlich Prostituierte ist (was in einem US-Film des Jahres 1939 nur sehr indirekt angedeutet werden durfte), und Ringo, ein (dann doch unschuldiger) Sträfling. Vorhang auf für Claire Trevor und John Wayne, die von da an öfters einmal ähnlich gepaart wurden. Ford zeigt sowohl die Spannungen der Notgemeinschaft auf kleinstem Raum als auch die romantische Annäherung der Hauptfiguren gleichsam emotional wie kunstfertig. Hier gelingt ihm nicht nur das, was er immer kann - wunderschöne Totalen des Monument Valley in leichtem Gegenlicht. Er fotografiert auch in engen Räumen geschickt, oft mit Weitwinkelobjektiv. Man bekommt dadurch mehr ins Bild, was Räume eigentlich breiter erscheinen lässt. Doch hier führt es - in Kombination mit einer Kamera leicht unter Augenhöhe - dazu, dass bei den Räumen der Zwischenstationen gleichzeitig Boden und Decke ins Bild kommen. Die Räume wirken enger, bedrückender (oftmals sieht man Zimmerdecken im klassischen Hollywoodfilm GAR NICHT, und dann haben Studiokulissen auch keine. Ein Set mit einer Decke war eine Seltenheit.). Manchmal nutzt Ford den Effekt vertikal; bei gleichzeitigem Weitwinkelobjektiv wirken schmale Gänge noch schmaler, wenn die Mauern rechts und links daneben breiter, größer, übermächtiger gemacht werden. Im Gegenlicht bekommt Claire Trevor in so einem Gang einen seltsamen Glanz, wie ein rettender Engel, von dem jedoch noch nicht ausgemacht ist, ob er für Ringo erreichbar sein wird. Bezeichnenderweise versucht er nach diesem Bild seinen ersten zarten Annäherungsversuch (was im Deutschen durch nachträglich eingefügte Musik völlig zerstört wird).

Ein Mal darf - und wann darf ein John Wayne sowas??? - Ringo den westerneruntypischsten Satz zu Claire Trevor sagen: "Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich tun soll." Hey, ein Westerner ist jemand, der IMMER weiß, was er zu tun hat. "Ein Mann, der tut, was er tun muss." Und obwohl Ford uns so vielschichtige Charaktere präsentiert, obwohl darin auch Außenseiter Größe entwickeln dürfen (neben den Genannten Thomas Mitchell als saufender Arzt) - am Ende ist das Ganze doch zu sehr dem Klischee verhaftet. Von den Indianern wird zwar anfangs erwähnt, dass "nicht alle schlecht sind", wie man so sagt. Aber einem Mexikaner ist viel wichtiger, dass nicht nur seine indianische Frau abgehauen ist, sondern auch seine wertvolle Stute. Dies sagt viel über die Haltung des Filmes zu "Roten" und Frauen. Am Ende ist Geronimos Horde eine undifferenzierte Bedrohung, lediglich Katalysator für unser weißes Grüppchen, das in der Gefahr wachsen und zusammenwachsen muss. Dabei darf man selbstverständlich die Indianer wie die Hasen abknallen. Immerhin gelingen Ford technisch ausgeklügelte Actionszenen voller Leben und Dramatik.

Was kommt dabei heraus? Feministisch gesagt dürfte Claire Trevor vom Regen in die Traufe kommen - vom Puff an den Herd von Ringos Farm, mit dem einzigen Unterschied, dass sie sich nun für lau abrackern darf. Man sieht das zwar nicht mehr, stellt sich aber förmlich vor, wie sie ihm die Hausschuhe hinterherträgt und das Haus in Ordnung hält. Und Ringo selbst? Charismatisch ist er ja, der John Wayne, der Gang, der Blick, das Leid, das Glück. und zum Glück ist ihm dann doch wieder eingefallen: Ja, ich muss tun, was ich tun muss. Er hatte nämlich noch "was (und wen) zu erledigen" in einer anderen Stadt. Dies zeigt Ford immerhin recht originell, mit einer Mischung aus klassischem Aufmarschieren zum fairen Kampf (nochmals: dieser Gang von Wayne, dem "Duke".) und indirekter Darstellung des Kampfes selbst. Dennoch - so ganz in Würde gealtert ist dieser Western nicht. Er zeigt eine allzu archetypische Auflösung, diese zwar erstmals in 1-A-Qualität, was "Stagecoach" zu einem Genre- und Mythos-Meilenstein macht. Aber mittlerweile kennen wir komplexere Varianten und Umkehrungen des Mythos, kritischere auch, nicht zuletzt von Wayne und Ford in ihren späteren Filmen (wobei der Duke eine wirkliche Revolte bewusst nie unternommen hat). "Stagecoach" ist ein guter Film, ein wichtiger Film, nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein gutes Drama und ein filmhistorisch Maßstäbe setzendes Werk. Knapp unterm ganz großen Wurf - 90 Punkte für den Film, aber nur 80 wegen der im ersten Absatz genannten etwas seltsamen Merkmale der DVD.

Klassiker des Western - aus heutiger Sicht mit kleinen Schwächen sowie leichten Mängeln der DVD-Edition.

Punktewertung

Fehler gefunden? Melden.

Dieser Artikel kann Affiliate-Links enthalten, die mit gekennzeichnet sind. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für dich ändert sich dadurch nichts, auch nicht am Preis, aber du unterstützt damit dieses Projekt. Deswegen bereits im Voraus: Danke.
   Titel Stagecoach / Digital Remastered Vergessene Western Vol. 5
   Genre
   Release 2010-05-07
   Systeme
   Publisher Voulez Vous Film (Intergroove)
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 12 Jahren Jahren
   Homepage
Werbung

Super Mario

Jetzt bestellen!
Paypal Trinkgeld