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Queenie Review


2010-08-04  Tonio Gas  13 Likes  0 Kommentare 
Queenie, Fernsehfilm, USA 1987, 233 Min., Regie: Larry Peerce, mit Mia Sara, Kirk Douglas u.v.a.

Keine Reise nach Indien
Die technisch grundsolide DVD verspricht einen Film, der zu den meistgewünschten laut Cover zählt. Na, ob das nicht etwas übertrieben ist? Es ist ja ganz nett, dass er nun erschienen ist, aber dass dies die Veröffentlichung wäre, auf die ganz Deutschland gewartet hat, erscheint übertrieben. Ein Kultklassiker wie die Dornenvögel im TV oder ein hoch anerkannter Film wie David Leans Kino-Epos "Reise nach Indien" (1984) ist "Queenie" nun wirklich nicht. Worum geht es? Lose auf der Lebensgeschichte Merle Oberons basierend, erzählt der Film, wie Queenie Kelly (Mia Sara) im Indien der 1920er Jahre heranwächst: Extrem sind die Gegensätze zwischen dem noblen, abgeschotteten britischen Kolonialleben und der Armut auf Indiens Straßen. Zwischen allem steht Queenie, die "Halbinderin" ist und lieber Engländerin wäre, zumal sie äußerlich weiß ist und dennoch alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt ist. Auch familiär steht Queenie zwischen den Welten, möchte ihrer indischen Mutter helfen und sich doch nicht zu ihren indischen Wurzeln bekennen. Durch unglückliche Umstände wird sie wegen Mordes gesucht und geht mit ihrem Onkel Morgan (Leigh Lawson) nach England. Dort schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch, bis Queenie Stripperin wird und sich ihr Chef (Topol) zwar als gewiefter Showmaster entpuppt, aber gleichwohl Beruf und Privates zu unterscheiden weiß (dies lässt sich nicht über die anderen Männer sagen, die Queenies Leben bislang kreuzten und mit denen der Film hart ins Gericht geht). Dieser Mann fördert Queenie und wird ihr Agent, als der Film lockt, wo sie auf den ihr wohlgesinnten Produzenten David Konig (Kirk Douglas) und die Liebe ihres Lebens trifft. Derweil droht Queenies Onkel in seinem Zwiespalt zwischen Indien und England, Tradition und Moderne, Beschützerrolle und gleichberechtigtem Onkel-Freund zu zerbrechen. Und eine intrigante junge Dame, die schon in Schulzeiten mit Queenie in innigem Haß verbunden war, lässt nicht locker, den Mord (aber war es wirklich Mord?) an ihrem Vater klären zu lassen.

Klingt nach saftiger Schmonzette mit ein paar netten dramatischen, ästhetischen und kolonialkritischen Beigaben, und das ist es auch. Wenn man sich darauf einlässt, gar nicht einmal schlecht. Hochkomplexes freilich gibt es eher selten - die Indien-Welle wogte durch die englisch/amerikanischen Filme der Achtziger, und da erreichen Arbeiten von James Ivory oder eben David Leans "Reise nach Indien" auf politischer wie philosophischer Ebene ein viel höheres Niveau voller Komplexität. Dabei ist "Queenie" keinesfalls schlecht. Die innere Zerrissenheit des Onkels ist sehr gut herausgearbeitet (Mia Sara als Queenie ist hingegen zu schön und zu schick ausgeleuchtet, um als ambivalenter Charakter zu überzeugen). Die Verlogenheit der kolonialen Überheblichkeit überzeugt ebenfalls an einigen Stellen, vor allem, wenn dies mit männlichem sexuellem Imponiergehabe verknüpft wird.

Nicht nur das spätere Todesopfer, ein feistes, fieses hohes Tier, behandelt seine Frau wie Dreck, will Queenie an die Wäsche und verstößt seine Gattin, als herauskommt, dass sie auch nicht außerehelich untätig war. Auch ein vermeintlich Guter entpuppt sich schließlich als Möchtegernvergewaltiger. Meisterhaft die Szene, in der ein Lehrer Queenie zum ersten Mal anspricht, ihr verspricht, sie aus ihrem Joch durch Privatunterricht herauszuholen - etwas zu freundlich, etwas zu weiß der Anzug, etwas zu selbstverliebt der Blick, etwas nur durch das überpointierte Licht betont; und man hat ein ungutes Gefühl, nur ganz leicht, aber spürbar. Solche feinen Nuancen gelingen dem Film nicht immer, der später die Stationen eines konventionellen Biopics abhakt: Schreckliche Kindheit, Ortswechsel, mühseliger Neuanfang, Tingeltangel, beim Aufstieg Zoff mit Weggefährten, später die ganz große Chance, die Liebe, das Glück, der Erfolg, der Fast-Absturz. Hier kann der Film nur noch als Schmonzette überzeugen. Wiederum meisterhaft ist, wenn Queenie vor ihren ersten Probeaufnahmen Angst hat und der wohlmeinende Produzent Konig reeeeein zufällig meint, etwas stimme mit dem Licht nicht, und der junge Beleuchter (mit dem Queenie gerade das rosarote Verliebsein durchlebt) solle Queenie doch noch einmal ins rechte Licht setzen. Das tut er natürlich gerne, malt seine Schöne förmlich mit Licht, und anschließend muss Queenie beim Vorsprechen zwar immer noch so tun, als schmachte sie Konig an, aber sie darf ihren Liebsten meinen, und Konig hat um diese Wirkung genau gewusst. Nun geht nichts mehr schief! Schööön. Etwas zu schön ist hingegen die Fotografie, wenn etwa unser junges Paar erstmals in die Kiste sinkt oder wenn Queenie ihre Auftritte hat, da ist alles nur noch ein Gleißen und Glänzen in weichgezeichneten mondscheinblauen oder sonstwie künstlichen Farben, dass es ein bißchen wie übertriebene Werbefilmästhetik wirkt.

Vor allem aber: Es ist zu lang, viel zu lang. Mir ist nicht bekannt, ob man das bei der Erstausstrahlung häppchenweise, etwas auf zwei Abende verteilt, serviert hat. Der am Stück 233 Min. lange Film wirkt eigentlich nicht so, hat auch keine Mittelzäsur in Form einer bewusst in die Dramatik integrierten Pause, was es bei längeren Kinofilmen vor allem in den 1960ern oft gab. Jedenfalls vergeht bis zum Fortkommen der Dramatik extrem viel Zeit, nach ca. 90 Minuten ist zwar schon ein bißchen was passiert, aber es ist klar, dass noch viel mehr kommen muss und die Haupthandlungselemente noch nicht recht ins Rollen gekommen sind. Bis etwa zur Hälfte müssen wir warten, bis der groß aus Hauptperson angekündigte Kirk Douglas überhaupt einmal auftaucht. Diese ganzen politischen und sexuellen Subthemen zu Beginn, sie sind ja nicht schlecht, aber es hätte auch weniger Detailverliebtheit gereicht. Man hat förmlich den Einruck, der Film ist "gestreckt", man wollte viele Darsteller unterbringen, alles ganz genau erzählen, nichts weglassen, weil alles einzeln betrachtet ja interessant und halbwegs wichtig ist.

Doch daraus wird kein Ganzes. Gerade eine Häufung von isoliert gesehen guten Szenen ergibt keinen guten Film, im Gegenteil: Man muss den Blick aufs Ganze haben; das mag zwar jedem Regisseur wehtun, wenn einzelne gute Szenen herausfliegen, aber es kann einen Film retten. Ob hier wohl eine Auflage "Zweiteiler-Länge" lautete? Massive Kürzungen täten dem Film gut. Ist nämlich alles gleich wichtig und gleich schön, dann ist das Große Ganze arg beliebig und langweilig, dann ist kein Feuer im Drama (obwohl der Film nicht nur in einer Aneinanderreihung besteht und die konventionelle Biopic-Dramatik eingehalten wird, nur eben mit viel zu viel redundantem Beiwerk). Somit ist dies ein ehrenwerter und nicht schlechter Film, aber er lässt mich kalt, und nach ca. 2 h 20 Min. habe ich mich ein bißchen geärgert, dass ich da jetzt durch muss. Das ist ungeheuer schade, denn die voranstehenden Ausführungen zeigen hoffentlich, dass der Film das eigentlich nicht verdient hätte, weil es einige gelungene Elemente in ihm gibt. So kann er aber nur Mittelmaß sein. Daher 50 Punkte.

Indien-Kolonialdrama, Schmonzette, Biopic: Viel zu viel in einem, und viel zu lang - als Gesamtwerk misslungen, aber in Einzelszenen gar nicht mal schlecht.

Punktewertung

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   Titel Queenie
   Genre
   Release 2010-03-25
   Systeme
   Publisher Schröder Media HandelsgmbH & Co KG
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 12 Jahren Jahren
   Homepage
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