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Becket


2009-03-15  Uewkes  9 Likes  0 Kommentare 
Becket, das ist der Titel des Films, der 1963 entstand und sich an dem Theaterstück "Becket oder die Ehre Gottes" orientiert. Gleich zu Beginn ertönen Chöre, auf pergamentartigem Hintergrund erscheinen in orangefarbenen Lettern die Namen der Darsteller, zu denen man gleich auch noch einige Takte verlieren sollte. Von der Erzählstruktur her weiß man am Anfang schon, wie es enden wird: King Henry II (Peter O'Toole) sucht das Grab Beckets auf. Er lässt sich entkleiden und entschließt sich, mit ihm friedlich abzuschließen, Buße zu tun - eben jene Rituale dir zur gegebenen Zeit unerlässlich waren, Kirche und Glaube waren eine mächtige Instanz, so mächtig, dass sie sogar diese Freundschaft zweier Männer entzweien konnte und sie quasi gegeneinander ausspielte im großen Kampf Staat gegen Kirche, Krone gegen Gott.

Nach dieser Szene wechselt Becket in die Vergangenheit und beginnt von vorne, von ganz vorne. Saufkumpanen, ein anderes Wort gibt es nicht für dieses Duo. Rumgehurt, gesoffen und die Pferde angetrieben, auf Jagd gezogen und allerlei Schabernack getrieben - Thomas à Becket (Richard Burton) war ihm immer ein guter Freund, ein Berater und so kam es auch, dass er erst zum Edelmann, dann zum Kanzler von England und schließlich Erzbischof von Canterbury ernannt, ernannt und "ernannt" wurde. Natürlich war da die gewisse Portion Vitamin B im Spiel, aber auch aus gutem Grund, König und Klerus führen einen nicht ganz offiziell ausgetragenen Krieg um die Vormachtstellung in England; weltliches Gericht und Urteil versus das göttliche Gericht, Heranziehen der Kirche, um Eroberungsfeldzüge zu finanzieren und so weiter. So kam es für den König sehr gelegen, dass der alte Erzbischof zu Gott gerufen wurde und prompt setzte er den einzigen Menschen, dem er wirklich vertrauen konnte, auf den heiligen Stuhl, obwohl Becket schon den Ring des Kanzlers trug und somit "eigentlich dem König gehorchte", aber nun auch die oppositionelle Meinung der Kirche vertreten musste. Wie es endet, ja, das wissen wir schon am Anfang des 2 Stunden 20 Minuten Films, aber spannend ist Becket allemal und ist - wenn überhaupt - bestens gealtert.

Ein Hauch historisch, eine Wagenladung schauspielerisch und psychologisch
Man kann von diesen goldenen Fritzen ja halten was man möchte, aber es kommt nicht sehr oft vor, dass 2 Schauspieler aus einem Film für den Oscar "Bester Schauspieler" nominiert werden. Bei Becket war es der Fall, im Falle Richard Burton und Peter O'Toole und diese beiden Leistungen voran haben es wahrlich verdient und tragen auch noch 46 Jahre später den ganzen Film in die erhabene Filmklasse; O'Toole mimt den dekadenten Herrscher aggressiv mit seinem egoistischen Grinsen, seinem heuchlerischen Getue aber auch mit viel unangemessenem Verhalten, viel Wut und Furcht und unüberlegtem Aktionismus, Becket hingegen ist - wie passend, dass er die Kälte mag, wo es seinen Herrscher doch immer friert - kühl, sehr überlegt und vertritt Prinzipien, die seinem Herrn nicht immer gefallen, wenn sie ihm überhaupt auffallen. Auf der Suche nach Ehre ist er und als er schließlich in die Rolle des Erzbischofs gedrängt wurde hat er seine Ehre, die Ehre Gottes gefunden und folgt dieser unnachgiebig bis zum bitteren Ende.

Epochaler Moment jagt epochalen Moment
Es gibt manchmal Filme, da ist jede Szene gut genug, in Diskussionen angeführt zu werden, in Klausuren vorzukommen oder einfach immer wieder als zeitlos geniales Stück Filmgeschichte angeführt zu werden. Bei Becket ist es über die lange Laufzeit hinweg eine Hetzjagd, obwohl Erzählstruktur und Herangehensweise eher gemächlich daherkommen, von großen Momenten. Becket und Henry II reiten sich entgegen. Am Meer, aus weiter Ferne beobachtet - 2 Welten prallen aufeinander, das Meer schaut geduldig zu, aber ungeduldig sind die Menschen. An jeder Ecke wimmelt es von Intriganten, Fallen und eigenen Zielen, somit kann auch an jeder Ecke genügend Platz für Weisheiten, Ratschläge und bedeutungsschwangere Aussagen sein.
Becket kommt gänzlich ohne große Schlachten aus, weiß aber sehr, mit sakralen Totalaufnahmen, Chorgesängen und allerlei pompösen Kulissen aufzuwarten - selbst das in England entstandene "Frankreich" funktioniert in seiner Position als temporäres Refugium/Exil. Aber ansonsten kann man nur immer wieder auf das Schauspiel zurückkommen; mit welcher Wucht da ein wütender König, der kein Blut sehen kann, verkörpert wird, mit was für Sticheleien sich die beiden Freunde immer weiter voneinander entfernen, bis sie sich schließlich als Kontrahenten um England gegenüberstehen und jeder seiner Linie dennoch irgendwie treu bleibt.

Das Schöne an solchen DVDs, wenn der Hauptfilm so alt ist, ist trotz Überlänge noch genügend Platz für Extras auf der DVD vorhanden; so gibt es nicht nur ein Interview mit dem zuständigen Komponisten, niemand geringeren als den großartigen Laurence Rosenthal, sondern auch noch einen Audiokommentar von bzw. mit Peter O'Toole sowie ein Interview mit einer Cutterin (Geschnörkelte Schrift, das soll einer problemlos lesen können) - ein rundum gelungenes Stück Historiendrama, das man bedenkenlos mit dem Adjektiv zeitlos versehen kann. Und was nicht alles nach Becket kam, ja, in gewisser Weise ein Pionier und Wegbereiter.

Zeitloses Historiendrama, deren Darsteller der Geschichte einen psychologischen Schwerpunkt und eine große Klasse an Schauspiel verleihen - von Neid, Freundschaft, Prinzipien und Macht hinüber zu Kirche versus Staat ist wirklich alles dabei, was der Mensch an Abgründen sein eigenen nennen darf und muss.

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   Titel Becket
   Genre
   Release 2008-11-06
   Systeme
   Hersteller Euro Video
   Publisher Euro Video
   Altersfreigabe Freigegeben ab Freigegeben ab 16 Jahren Jahren
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