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A Real Pain Review

Humor trifft historische Last


2025-10-11  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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Jesse Eisenberg geht mit A Real Pain bewusst aufs Ganze: ein Roadmovie durch Polen, getragen von dürrem Humor, tief sitzender Familiengeschichte und einem Balanceakt zwischen Leichtigkeit und Schwere. Für manchen wirkt der Film zu ambivalent, für andere gerade dadurch besonders. Für mich ein mutiges, oft lohnendes Werk – mit klaren Bruchstellen.

Zwischen Heimat und Fremde: Die Reise der Gegensätze
David und Benji sind Cousins, die kaum noch etwas verbindet – außer ihrer jüdischen Herkunft und einem Familienversprechen. Der Tod der Großmutter bringt sie zusammen: Sie reisen gemeinsam im Rahmen einer Erinnerungsreise durch Polen, um die Spuren ihrer Vorfahren aufzusuchen. David, der bodenständige Familienmensch, sieht in der Tour eine Pflichtaufgabe; Benji hingegen, impulsiv und ohne Filter, nutzt den Trip als Bühne für seine Konflikte.

Der Rahmen ist klassisch: ein Gruppentour mit Fremden, ein Reiseführer, Begegnungen unterwegs. Doch gerade diese Rahmenhandlung erlaubt es, persönliche Geschichten zu erzählen – von Schmerz, Schuld, Identität und der oft mühevollen Art, im Jetzt anzukommen. Die historische Ebene – mit dem Holocaustgedanken im Hintergrund – wirkt nie belehrend, sondern muss sich immer wieder durch den Blick der Figuren verteidigen.

Performances: Zwischen Leichtigkeit und existenziellem Druck
Kieran Culkin als Benji stiehlt mehrfach die Szene. Mit überschäumender Energie, oft irritierend direkt, bringt er eine nervöse Spannung in fast jede Szene. Er provoziert und berührt zugleich. Jesse Eisenberg als David wirkt oft zurückhaltender, sein Konflikt ist innerlich: Er ringt mit Verpflichtungen und der Last, dass Erinnern eine Verantwortung ist.

Die Chemie zwischen den beiden trägt das Ganze – besonders in Momenten, in denen Lachen und Schmerz nahe beieinanderliegen. Leider gelingt es nicht allen Nebenfiguren, im Gedächtnis zu bleiben: Manche Mitreisenden bleiben farblos, der Tourguide driftet gelegentlich ins Statistenhafte.

Ton & Stil: Zwischen komisch und existenziell
Der Film wagt es, seine Stimme zu variieren. Ein Moment voller Leichtigkeit wechselt in Sekunden ins Bittere. Das gelingt nicht immer gleichmäßig: Es gibt Stellen, in denen der Übergang holprig wirkt oder die Balance ins Kippen gerät. Trotzdem beeindruckt, wie er sich bemüht, keinen Ton zum Monolog zu degradieren.

Die Kamera begleitet mit Nähe, oft ohne Pathos. Die Orte wirken vertraut und fremd zugleich – ein Polen, das Erinnerung und Gegenwart dialogisch verschränkt. Der Soundtrack – u. a. mit klassischem Klavierspiel – unterstützt das Gefühl von Fragilität, ohne zu sentimental zu werden.

Wirkung & Grenzen: Großes Thema, kleine Momente
  • A Real Pain ist kein Film leichter Antworten. Er setzt auf Fragen: Wie soll man mit übergenerationeller Schuld umgehen? Wie lassen sich persönliche Wunden neben historischen Katastrophen sehen?
  • In manchen Szenen wirkt die dramaturgische Dosis überambitioniert – die Kontraste zwischen Komik und Trauma manchmal zu scharf.
  • Der historische Kontext ist wichtig, wird aber nicht vollständig ausgearbeitet. Der Film verlässt sich darauf, dass der Zuschauer die Lücken selbst auffüllt.


Trotz seiner Schwächen gelingt dem Film oft der Spagat: Er darf lustig sein, aber nicht denkfaul; er darf erinnern, aber nicht ersticken in Gewicht. Manche Szenen haften – ein Streit auf dem Zug, eine stille Stelle vor einem Denkmal, ein unausgesprochenes Wort.

A Real Pain* ist ein Film mit Ecken und Kanten – er ist zuweilen tonal unsicher und überfrachtet, aber in vielen Momenten auch berührend und klug. Die Performance von Culkin, die Chemie mit Eisenberg und der Mut zur Ambivalenz machen ihn für Cineasten sehenswert. Wer eine makellose Erzählung erwartet, wird enttäuscht. Wer einen emotional widersprüchlichen, nachklingenden Eindruck sucht, wird hier fündig.

Punktewertung

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