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Wilma will mehr Review

Ein Neuanfang im falschen Moment


14.12.2025  Jacqueline  0 Likes  0 Kommentare 
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Maren-Kea Freeses Film Wilma will mehr begleitet eine Frau, die eigentlich nie um Anerkennung gebeten hat, aber plötzlich merkt, dass sie längst zu wenig davon bekommt. Wilma – gespielt von einer wunderbar spröden, warmen Fritzi Haberlandt – ist eine jener Frauen, die man sofort versteht, ohne dass sie viel sagen muss. Eine Frau, die Maschinen reparieren kann, aber in ihrem Leben feststellt, dass manche Brüche sich nicht löten lassen. Die Lausitz im Rücken, die Enttäuschung im Nacken und eine Affäre ihres Mannes direkt in der Küche: Es reicht. Und so beginnt ihre Reise nach Wien – ein Aufbruch, der gleichzeitig befreiend, bitterkomisch und überraschend zärtlich ist.

Zwischen Arbeiterstrich und Wiener Bohème
Freese erzählt diese Geschichte als Culture-Clash-Komödie, die sich nie zu sehr auf ihre Klischees verlässt. Natürlich prallen Lebenswelten aufeinander: die Bodenständigkeit einer ostdeutschen Technikerin trifft auf die ironisch-selbstgewisse Wiener Boheme, die lieber über Feminismus diskutiert, als eine Steckdose zu reparieren. Und doch ist der Film nie zynisch. Er beobachtet, er lächelt, er lässt zu, dass Missverständnisse nicht verletzen, sondern öffnen.

Wilma landet in einer Monteursunterkunft, schuftet als Mädchen für alles und findet schließlich Unterschlupf bei einer Dreierkonstellation aus Anstreicher, Literaturprofessorin und Wiener Wohnung, die so exzentrisch ist, dass man sie kaum glauben würde – wäre sie nicht so liebevoll geerdet inszeniert. Diese Welt fordert Wilma heraus und nimmt sie gleichzeitig auf. Genau diese Mischung aus Fremdheit und Neugier macht den Reiz aus: Sie ist die pragmatische DDR-Frau im Universum der urbanen Überintellektuellen. Ein Rollenwechsel, der unaufgeregt, aber wirkungsvoll erzählt wird.

Eine Heldin, die nichts heldenhaft findet
Was Wilma will mehr so besonders macht, ist die Art, wie Wilma getragen wird. Haberlandt spielt ihre Figur mit einer Mischung aus Verletzbarkeit, Sturheit und trockenem Humor. Sie ist nie laut, nie pathetisch. Sie ist einfach da – und zeigt uns, wie viel Mut es kosten kann, sich nicht kleinzumachen.

Der Film reflektiert nebenbei, aber pointiert über ostdeutsche Biografien: Frauen, die technische Berufe hatten, die ihre Familien trugen, die plötzlich „überflüssig“ wurden, weil ein System zusammenbrach. Freese beobachtet das mit Respekt und ohne Nostalgie. Sie zeigt, wie unterschiedlich Frauenbilder in Ost und West geprägt wurden – und wie viel gegenseitiges Unverständnis darin steckt. Doch sie macht daraus kein larmoyantes Ost-West-Drama, sondern ein persönliches Porträt, das bei aller Leichtigkeit emotional treffsicher bleibt.

Charmante Figuren, holprige Tonalität
So gut das Ensemble funktioniert, so klar bleibt auch eine Schwäche: Die Dramaturgie wirkt manchmal lose, fast episodenhaft. Szenen wechseln abrupt, Traumsequenzen wirken wie kleine Ausreißer in ein anderes Genre und wirken nicht immer notwendig. Die Richtung des Films ist nicht immer klar – vielleicht, weil Wilma selbst nicht weiß, wohin sie eigentlich will. Dieser erzählerische Drift hat Charme, kann aber auch unruhig machen.

Es ist ein Film, der Raum lässt, aber nicht immer weiß, was er darin platzieren möchte. Gerade im zweiten Drittel zieht sich die Handlung, manche Begegnungen bleiben flüchtig, manche Nebenfiguren eher Idee als ausgearbeitete Persönlichkeit. Und doch: Wenn der Film funktioniert, dann richtig. Besonders in Momenten, in denen Wilma tanzt, lacht, sich verliert – oder erstmals seit langem einfach wieder sie selbst ist.

Ost, West und die Suche nach dem eigenen Platz
Freese gelingt es, die politischen Untertöne sensibel mitzuerzählen. Der Film vermeidet das Schwere, ohne es zu verdrängen. Er zeigt, wie die Versprechen der DDR sich anfühlten – und wie die Versprechen der Wiedervereinigung für viele nie eingelöst wurden. Aber er klagt nicht an. Er zeigt nur, wie eine Frau zwischen all diesen Systemen ihren eigenen Wert neu bestimmen muss.

Dass Wien hier eine Art Zwischenwelt bildet, macht den Film reizvoll. Es ist kein glamouröser Neuanfang, sondern ein freundliches Chaos aus Dialekt, Walzer, Ideologie und Alltagskämpfen. Und genau darin findet Wilma etwas, das sie verloren glaubte: die Fähigkeit, sich wieder wichtig zu nehmen.

Wilma will mehr ist ein warmherziges, manchmal holpriges, aber ehrliches Porträt einer Frau, die zwischen Vergangenheit und Zukunft ihren eigenen Raum wiederentdeckt. Fritzi Haberlandt trägt den Film mühelos, und gerade ihre Nuancen lassen die Geschichte lange nachhallen. Kein großer Wurf, aber ein wichtiger – und einer, der Frauenbiografien würdigt, die viel zu selten erzählt werden. Etwas unentschlossen im Ton, aber dafür umso menschlicher.

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