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Europa braucht den Euro nicht Review


2012-05-24  Spielemagazin  7 Likes  0 Kommentare 
Da ist er wieder. Der "ökonomische Brandstifter der Nation", der Wachrüttler unter den Schlafwandlern, der Mann der Tacheles redet, auch wenn ihnviele Politiker gerne verstummen sehen würden. Thilo Sarrazin ist wieder da und erneut rüttelt er mit seinem Buch und einigen recht provokanten Bemerkungen darin die politische Szene wach und sorgt ganz nebenbei für jede Menge Zündstoff. Schon seit Tagen tingelt er auch durch diverse Talkshows und wird in den Nachrichten und Zeitschriften zitiert, interpretiert und gesteinigt. Aber: Was ist denn dran, an folgender Behauptung?

Europa braucht den Euro nicht
So der Titel des neuen Werkes von Thilo Sarrazin, Ex-Größe bei der Deutschen Bahn AG, Finanzsenator im Berliner Senat, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Es waren wohl seine heiss diskutierten Aussagen rund um soziale und gesellschaftspolitische Themen, die ihn dann erstmal seinen Job kosteten. So etwas wie:

Bleibt die Geburtenrate der Migranten .. dauerhaft höher als die der autochthonen Bevölkerung, so werden Staat und Gesellschaft im Laufe weniger Generationen von den Migranten übernommen. (S. 259)


Zu deutlich für so manchen Politiker - am Ende war es auch der SPD und der Deutschen Bundesbank irgendwie zuviel. Wie dem auch sei: Mit "Deutschland schafft sich ab" schrieb Sarrazin das meistverkaufte Politik-Sachbuch eines deutschsprachigen Autors des Jahrzehnts. Nun legt er mit "Europa braucht den Euro nicht" nach.

In diesem Buch legt er den Finger in die aktuell wohl klaffendste Wunde Europas: Die Finanzkrise rund um die Griechen und ein paar andere Südländer haben ihre Spuren hinterlassen und nachdem nun 80 Milliarden Euro geflossen sind, um die gröbsten Löcher zu stopfen, scheint der Aussteig der Griechen aus dem Euro-Raum nun schon fast wieder greifbar nahe. Die Politiker sehen dies als kleine Katastrophe an, wir alle müssten nochmals tief in die Tasche greifen. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass es wohl doch nicht so schlimm kommen wird.

In seinem Buch denkt Sarrazin dabei laut über die Sinnhaftigkeit des Euros nach. Natürlich ein Tabubruch, spielt es doch vor allen denen in die Hände, die schon die ganze Zeit der guten alten D-Mark nachtrauern. Populismus wird ihm vorgeworfen, am liebsten würde man ihm den Mund verbieten. Und das verwundert. Mag sein, dass Sarrazin laut und recht frei nachdenkt - vielleicht liegt er damit auch gänzlich falsch, aber was sind das für Politiker, die einem Quer- und Freidenker den Mund verbieten möchten?

Sarrazin beschäftigt sich im Werk selbst überaus sachlich mit den Themen. Die Thesen sind letztlich nicht immer zu beweisen, aber hochinteressant und als Denkanstoss allemal valide. "Die gemeinsame Währung hat der Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Euroländer geschadet". Und weiter: "Der europäische Binnenmarkt braucht den Euro nicht, um zu funktionieren". Die Parole" scheitert der Euro, scheitert Europa sei "gefährlich, weil sie falsch ist". Und irgendwie hat der Mann recht, wenn man bedenkt, wie es denn VOR dem Euro war. Vielleicht war es nicht besser, aber war es denn wirklich bedeutend schlechter?

Natürlich: Jetzt kann man darüber debattieren und argumentieren bis sich die Euro-Münzen biegen. Aber letztlich stellt Sarrazin einfach nur kritische Fragen und stellt ganz nebenbei ein paar Thesen in den Raum, die in typischer Manier eben just in dem Moment "politisch inkorrekt" sind. Aber nur weil es manchen Herrschaften lieber wäre, dass sie nie gestellt würden - dafür jedoch ist dieses Thema eindach zu wichtig.

Wir sind keine Wirtschaftsweisen - und die Zahlen und Fakten des Buches müssten wohl alle erst intensivst geprüft werden. Dennoch: Die Art wie Sarrazin die Finger in die Wunde legt ist lesenswert, die Thesen provokant wie eh und je - für Gesprächsstoff ist also gesorgt.

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