Buecher » Reviews

Diviners – Die dunklen Schatten der Träume Review

Ein zweiter Band, der die Messlatte höher legt


2025-10-15  Jacqueline  0 Likes  0 Kommentare 
Diviners – Die dunklen Schatten der Träume Review Bild Diviners – Die dunklen Schatten der Träume Review Screenshot Diviners – Die dunklen Schatten der Träume Review Foto

Mit Die dunklen Schatten der Träume setzt Libba Bray ihre übernatürliche Mystery-Saga im flirrenden New York der 1920er Jahre fort – und das mit noch mehr Tiefe, noch mehr Atmosphäre und einer wachsenden Dunkelheit, die sich wie ein Nebel durch die Seiten zieht. Was als flippiger Okkult-Thriller begann, entwickelt sich hier zu einem vielschichtigen Epos über Identität, Schuld, Freundschaft und Angst.

Dabei schafft es Bray, den gefürchteten Fluch des „zweiten Teils“ nicht nur zu umgehen, sondern regelrecht zu pulverisieren. Ihre Geschichte bleibt packend, die Charaktere gewinnen an Profil – und New York selbst wird mehr denn je zur heimlichen Hauptfigur.

„Evie, Ruhm und das vergiftete Rampenlicht“
Evie O’Neill genießt ihre neue Rolle als „Sweetheart Seer“ – Medienliebling, gefeierte Hellseherin und Stimme einer Radioshow, in der sie Objekten Geheimnisse entlockt. Doch Ruhm hat seinen Preis. Während Evie von Party zu Party stolpert, entfernt sie sich zunehmend von ihren Freunden – und vielleicht auch von sich selbst. Dass sie dabei zwischen Sam und Jericho zerrieben wird, verleiht der Geschichte eine prickelnde Dreiecks-Spannung, die jedoch nicht ins Klischeehafte abrutscht.

Evie ist kein einfacher Charakter. Egoistisch, selbstverliebt, charmant – aber auch zutiefst verletzlich. Gerade diese Ambivalenz macht sie so interessant. Man muss sie nicht mögen, um mit ihr mitzufiebern.

„Schlaf ist hier kein Ort der Erholung – sondern eine Bedrohung“
Der Plot nimmt schnell Fahrt auf: Eine mysteriöse Schlafkrankheit greift um sich, Ärzte stehen vor einem Rätsel. Und es wird klar – dies ist keine gewöhnliche Epidemie. Die Ursache liegt in der Traumwelt, die nur die sogenannten „Diviners“ betreten können. Bray nutzt diesen fantastischen Zugang, um Themen wie kollektives Trauma, unterdrückte Sehnsüchte und persönliche Verluste raffiniert in Szene zu setzen.

Besonders stark ist hier die Figur von Henry, der gemeinsam mit der neuen, chinesisch-amerikanischen Divinerin Ling durch Träume wandeln kann. Die beiden erleben nicht nur surreale, düstere Szenen, sondern öffnen uns auch die Tür in die Lebensrealitäten derer, die damals am Rand der Gesellschaft standen: queere Künstler, Migrantinnen, Arbeiterkinder. Diese Perspektiven geben dem Roman Tiefgang und Relevanz – und machen ihn viel mehr als „nur“ Jugendfantasy.

„Ein Ensemble mit echter Strahlkraft“
Bray versteht es wie kaum eine andere, ein großes Figurenensemble zu dirigieren, ohne dass jemand untergeht. Theta ringt weiterhin mit den Geistern ihrer Vergangenheit, Memphis kämpft für seine Liebe, Mabel träumt und zweifelt, Sam sucht nach den Schatten seiner Familie – und alle wachsen in ihren Rollen.

Was herausragt, ist, wie authentisch diese Figuren wirken. Sie sind nicht bloß Schachfiguren im Plot. Sie atmen, zweifeln, scheitern – und manchmal überraschen sie einen mit ihrer Stärke.

„New York der 20er – wild, gefährlich und faszinierend“
Kaum ein Jugendbuch fängt die Atmosphäre der Roaring Twenties so nuanciert ein wie dieses. Ob Jazzclubs, schummrige Bars oder die spürbare Klassen- und Rassentrennung – Bray schreibt nicht bloß ein Setting, sie lässt es leuchten und brennen. Dabei schimmert stets auch ein Hauch Gesellschaftskritik durch, die das Buch angenehm erdet.

Und dann wäre da noch ihr Schreibstil: bildreich, flüssig, pointiert – mit einem Hauch Poesie, ohne je kitschig zu sein.

„Ein dunkles Märchen mit realem Kern“
Trotz der übernatürlichen Elemente bleibt Die dunklen Schatten der Träume immer nah an der Realität. Gewalt in Beziehungen, Homophobie, Einsamkeit, das Ringen um Zugehörigkeit – all das fließt ein, ohne plakativ zu wirken. Besonders bemerkenswert: Bray scheut sich nicht, unbequeme Themen zu behandeln, und verleiht ihrer Fantasy damit Gewicht und Relevanz.

Diviners – Die dunklen Schatten der Träume ist mehr als nur eine gelungene Fortsetzung. Es ist ein intelligentes, atmosphärisch dichtes Werk, das sich tief in die psychologischen und gesellschaftlichen Abgründe seiner Zeit vorwagt. Libba Bray schreibt keine Wohlfühl-Fantasy – sie schreibt Geschichten, die fordern, berühren und nicht so schnell loslassen. Wer den ersten Band mochte, wird diesen lieben. Und wer sich fragt, ob Jugendbücher auch Erwachsene fesseln können – hier ist der Beweis.

Punktewertung

Fehler gefunden? Melden.

Dieser Artikel kann Affiliate-Links enthalten, die mit gekennzeichnet sind. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für dich ändert sich dadurch nichts, auch nicht am Preis, aber du unterstützt damit dieses Projekt. Deswegen bereits im Voraus: Danke.