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New Order - Die neue Weltordnung Review

Klassenkonflikt-Thriller, der Raum für Diskussionen lässt


23.11.2025  Captain  0 Likes  0 Kommentare 
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New Order – Die neue Weltordnung beginnt dort, wo viele Filme enden würden: mitten in der Eskalation. Eine wohlhabende Familie bereitet eine prunkvolle Hochzeit in Mexiko-Stadt vor, während draußen bereits spürbar etwas aus dem Ruder läuft. Die Spannungen zwischen Arm und Reich sind am Siedepunkt angekommen – und das prallt in diesem Film ohne jede Vorwarnung aufeinander.

Regisseur Michel Franco verzichtet bewusst auf ausschweifende Erklärungen und wirft das Publikum stattdessen mitten in ein Szenario, das sich erschreckend real anfühlt. Was als feierliche Zeremonie beginnt, verwandelt sich in ein politisches Pulverfass, das in Sekunden explodiert. Dieser radikale Perspektivwechsel prägt den gesamten Film: Alles ist brüchig, alles ist unsicher, niemand ist vorbereitet.

Eine gnadenlose Abrechnung mit Privilegien
Die Stärke des Films liegt darin, wie er Klassenunterschiede sichtbar macht – nicht mit erhobenen Zeigefinger, sondern durch Beobachtung. Der Alltag der Wohlhabenden wird als selbstverständlich dargestellt, ihre Werte und Entscheidungen wirken gleichzeitig verständlich und völlig abgehoben.

Franco wagt dabei einen schmerzhaften Blick auf moralische Blindflecken. Selbst gutmeinende Figuren handeln teils überraschend hilflos, naiv oder egoistisch, und genau darin entfaltet der Film seine erschütternde Glaubwürdigkeit. Das wirkt manchmal bitter und zynisch, aber selten wirkungslos.

Wenn die Revolution kippt
Die zweite Hälfte von New Order schlägt dann eine Richtung ein, die den Film für viele Zuschauer zum schweren Brocken macht: Die anfängliche Auflehnung der Unterdrückten wird zunehmend ersetzt durch eine neue Form von Barbarei und Willkür. Militär, Milizen und wechselnde Gruppierungen kämpfen um Macht – und am Ende bleibt kaum jemand übrig, der moralisch unbefleckt dasteht.

Gerade dieser Perspektivwechsel ist unbequem. Die Gewalt eskaliert, Geiselnahmen, Folter und Exekutionen gehören plötzlich zum Alltag. Franco zeigt diese Szenen nicht aus Sensationslust, sondern um die Mechanik von Machtübernahme sichtbar zu machen: Jede Ordnung kann bröckeln, und jede Revolution kann korrumpiert werden.

Visuell stark, erzählerisch bewusst reduziert
Die Kameraarbeit ist präzise, beklemmend und nah am Geschehen. Viele Szenen wirken dokumentarisch – als stünde man selbst mitten in den Ruinen eines Systems. Besonders intensiv werden die Momente, in denen Franco die Symbole Mexikos – Farbgebung, Architektur, Militärpräsenz – kombiniert, um die politische Dimension zu verstärken.

Allerdings: Wer klare Antworten sucht, wird sie nicht bekommen. Der Film erklärt wenig, kommentiert selten und bleibt oft bewusst vage. Manche Zuschauer empfinden das als Stärke, andere als erzählerische Schwäche. Gerade das abrupt wirkende Ende lässt viele Fragen offen – vielleicht sogar zu viele.

Ein Spiegel, der weh tut
Der Film löst nachwirken aus – vielleicht mehr als man möchte. Er zeigt Ungleichheit, Gewalt und Machtmissbrauch in einer Weise, die nicht weit von realen Entwicklungen in Teilen Lateinamerikas entfernt ist. Für manche wirkt New Order daher wie eine Warnung, für andere wie eine provokante, aber unausgegorene Dystopie.

Doch egal wie man ihn interpretiert: Man kann New Order nicht einfach wegschnipsen. Er bleibt kleben, brennend, unbequem.

New Order – Die neue Weltordnung ist ein harter, kompromissloser Film über Ungerechtigkeit, Zerfall und Machtmissbrauch. Er ist mutig, visuell beeindruckend und intensiv gespielt – aber auch schwer verdaulich und bewusst nihilistisch. Nicht alles ist perfekt ausgearbeitet, und manches hätte mehr Kontext verdient. Doch als schonungsloses Gedankenexperiment über soziale Abgründe funktioniert der Film hervorragend.

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