2011-03-28
Spielemagazin
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Was mag das wohl für einer sein, der sich für ein Lied einst den wundersamen Titel "Die Bruddeldiddeldaddeldings" erfand und das Stück dann sogar auf einem seiner Alben an der langen Leine herumtollen ließ? Nun ja, da mit 12 Jahren normalerweise keiner eine Platte aufnimmt, wird der Dichter wohl schon Narrenfreiheit besitzen. Und so ist es: Stephan Sulke feierte im vergangenen Jahr seinen 67sten Geburtstag. Vielleicht beging er auch den so wie ein kleines, neugieriges und unerschrockenes Kind. Um dann bei nächster Gelegenheit zu konstatieren, er habe irgendwann einfach Lust gehabt, "Lieder zu machen mit etwas schlaueren Ideen und gescheiteren Texten". Vorsicht allerdings ist angezeigt bei diesem Überzeugungstäter, denn der Mann spannt gerne Fallstricke und legt sich zum Schmunzeln in den Hinterhalt. Und wenn dann keiner kommt und er nichts zu lachen kriegt, geht er halt heim und macht was anderes. Manchmal über zwei Jahrzehnte lang, wie vor seinem Platten-Comeback 2009. Irgendwie aber freut sich immer alle Welt, den Herrn Sulke wohlbehalten wieder zu sehen.
Was mag das wohl für einer sein, dieser Typ, der sich nicht im Geringsten bemüht, aus seinem Leben und seiner Poesie auf Biegen und Brechen eine Einheit zu formen. Das Kind Berliner Emigranten, in Shanghai zur Welt gekommen, in der Schweiz aufgewachsen, in Frankreich und den USA zuhause gewesen: eine Vita der Rastlosigkeit, die sich auch im kunterbunten Fächer der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeiten wiederspiegelt. Sulke war Jurastudent in Zürich und Bern, veröffentlichte Lieder in englisch und französisch unter Pseudonym, leitete sein eigenes Tonstudio, baute technische Geräte für Rundfunksender, komponierte Songs, die von Erika Pluhar, Katja Ebstein, Herbert Grönemeyer und anderen interpretiert wurden, arbeitete in einem Architekturbüro und hatte Ausstellungen als Bildhauer und Maler.
Und dann diese lakonischen, wie Miniaturen in den Raum gestellten Lieder. Solch krude Gegensätzlichkeit leugnet Sulke absolut nicht, " ich mag Gegensätze. Gegensätze sind der Ursprung aller Dinge. Abgesehen davon, hab ich auch nicht sehr viel Phantasie, will heissen, ich seh die Dinge, wie sie wahrscheinlich sind und beschreib einfach das Gesehene. Auch hab ich eine ungeduldige und unstete Seele. Viele Dinge verleiden mir relativ schnell. Ich gehe nicht hin und schaue mir die Pyramiden 25 Mal an, wenn ich sie mal gesehen habe, dann habe ich sie halt gesehen." Was uns mit seinen Liedern gänzlich anders geht.
Was mag das wohl für einer sein, der sich für ein Album den wundersamen Titel "Enten hätt' ich züchten sollen" aussucht?
Schon dieser herrliche Titel! "Enten hätt' ich züchten sollen, ich Idiot" nennt Stephan Sulke sein jüngstes Album, das wirft unversehens ein Licht auf viele seiner Musiker-Qualitäten. Witzig, leicht melancholisch, flapsig, verschmitzt, unangepasst. Was der Titel nicht verrät, ist dies: Das Album hält auch Rückschau. Und zwar ohne den Anspruch auf Vollständigkeit oder die Nennung sämtlicher, eigenhändig gesetzter Meilensteine, sonst wäre es ja kein Album aus der Querulanten-Werkstatt Sulke. "Die Historie", sagt der Sänger und Poet, ist folgende: "Ich mag ungerade Zahlen. Ich stand vor bald einem halben Jahrhundert zum ersten Mal mit der Gitarre auf einer Bühne und habe englische Lieder gesungen, nicht gerade besonders gute. Danach kam hier ein Lied und dort eines, ich war aber immer wieder verschwunden. Vor ungefähr 35 Jahren nahm ich dann wirklich Anlauf, gefolgt von wiederum noch längeren Pausen. Und diese durchgewürfelten Zahlen gaben mir die Idee, ein paar alte und jüngere meiner Lieblings-Songs in komplett neue Arrangegments zu kleiden, und diese mit ganz neuen nie in irgendeiner Form veröffentlichten Liedern zu mischen. So erlebt der geneigte Hörer nun nie zuvor Gehörtes wie "Mein Leben", "sie hat mich bloss mit einem Lächeln angefasst", die legendäre, "Uschi " in neuem, Gewand, nämlich im Duett mit der Kultfigur Lilo Wanders oder das zart ironische "Hey Mister Radio Mann" ebenso wie ein Duett mit Milva "La Rossa" namens "Das muss doch gehn" oder den Titelsong "Enten hätt' ich züchten sollen.". Der sei, so Stephan Sulke, "sowohl neu wie auch alt, ich habe ein betagtes Lied mit neuen Zeilen und Akkorden versehen". Und mit neuem Witz obendrein.
Man kann ihm Vieles nachsagen, aber bestimmt keine Liebedienerei. Wer Sulke ins Lager der Liedermacher sortiert und dann nach vertrauten Koordinaten sucht, wird garantiert nicht fündig. Einen Protestsong oder auch nur kurze, bündige und leicht entschlüsselbare Kommentare zum Tagesgeschehen - Fehlanzeige. Sulke ist kein Mann fürs Grobe. "Diese Anti-Gesellschaftswut", sagt er, "ist nichts für mich. Ich fühl mich in unserer Gesellschaft einigermassen wohl. Schau dir nur Schlagzeilen an, wie fade und vergilbt die nach einem Jahr aussehen Sulke redet jetzt ziemlich forsch und lässt die gedehnten Silben ausnahmsweise einmal weg.
Er verliert sich gern in seinen Aphorismen und liebt die überraschend derben Sätze, die sich indes niemals in seinen Liedern finden. Viel zu direkt, zu wenig hintersinnig. Schön, dass dieser Typ sich nicht in den Turm der Intellektuellen verkrochen hat. "Ich habe so viel Schule hinter mir", kommentiert Stephan Sulke mit charmant süffisantem Unterton, "Latein, Altgriechisch, Botanik, alles Mögliche. Und ich muss ehrlich sagen: genützt hat es mir nicht viel. Genützt haben mir eher die wirklich herben Niederlagen, die schallenden Ohrfeigen." Und genau das macht seine Lieder, macht auch sein neues Album so liebenswert. Und zum Unikat. Was ist das für ein Typ!
Die Tour zum Album 02.03.2011, 19:30 Luxemburg L'inoui
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