Musik » Interviews

Blind Guardian Interview: Marcus Siepen über Motivation, Ziele und Computerspiele


2011-05-04  Spielemagazin  11 Likes  0 Kommentare 
Mit "Battalions of Fear" fing es an und noch 23 Jahre später seid ihr immer noch hungrig und bewegt die Fans, vom maßlosen Headbangen bis zum Mitsingen von herrlichen Balladen. Da drängt sich förmlich die Frage auf: Wie habt ihr es geschafft euren Erfolg über Dekaden hinweg zu mehren und woraus bezieht ihr eure Motivation?
Motiviert zu sein ist eigentlich nicht wirklich schwierig, wenn man etwas macht, was man liebt. Wir hatten damals das Glück, unser Hobby zu unserem Beruf zu machen, und dann auch noch so erfolgreich zu sein, das wir gut davon leben können, was will man denn mehr? Wir genießen Blind Guardian immer noch genauso wie vor 23 Jahren, egal ob es ums Komponieren geht, um Studioarbeit oder um Gigs, von daher ist Motivation definitiv kein Problem für uns. Was den Erfolg angeht würde ich sagen, daß wir immer versucht haben, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, egal ob es um Songwriting, Produktion oder Bühnenshows geht, außerdem standen wir zu jeder Zeit zu 100% hinter dem, was wir gemacht haben, und sowas merken die Fans, das wird respektiert und honoriert.

Das bedeutet für euch doch sicher auch eine Menge Druck, wenn man sich über die Landesgrenzen hinaus zu einem Aushängeschild deutscher Metal-Kultur gemausert hat. Verspürt ihr Druck und wie geht ihr damit um?
Klar verspüren wir einen gewissen Druck wenn wir z.B. mit den Arbeiten an neuen Liedern anfangen, allerdings kommt dieser Druck gar nicht so sehr von außen. Wir können es so oder so nicht jedem recht machen, also versuchen wir das auch gar nicht erst, aber wir wollen es uns selber recht machen, und da wir ziemliche Perfektionisten sind setzen wir uns da selber unter Druck. Wir wollen natürlich mit jedem neuen Album alles vorherigen übertreffen und wir wollen uns auch nicht wiederholen in dem was wir machen, und das kann manchmal schon eine echte Herausforderung sein. Man darf sich von sowas aber auch nicht verrückt machen lassen und sollte einfach sein Ding durchziehen, sonst blockiert man sich nur selber.

Landesgrenzen ist ein gutes Stichwort: Nachdem ihr im April/Mai von Athen bis Zagreb gerockt habt, spielt ihr im Sommer unter anderem wieder in Wacken. Was ist konzerttechnisch gesehen euer Highlight des Jahres?
So etwas ist normalerweise schwer zu beantworten, da wir zum Glück überall auf der Welt unglaublich treue und enthusiastische Fans haben, es fällt also schwer, da einzelne Konzerte raus zu picken, aber Anfang des Jahres waren wir Headliner beim ersten "70000 Tons of Metal" Festival, und das war für mich definitiv eins der absoluten Highlights unserer gesamten Karriere. Das ganze war zunächst mal ein relativ normales Festival, bei dem 40 Bands eine Woche lang gerockt haben, das ganze hat aber an einem sehr ungewöhnlichen Ort stattgefunden, auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Außerdem gab es keine Trennung zwischen Bands und Fans, es gab also keine Backstagebereiche oder so etwas in der Art, das Ganze hatte aber eine unglaublich intime Atmosphäre und hat tierisch viel Spaß gemacht, für mich definitiv das Highlight des Jahres.

Angenommen Geld würde keine Rolle spielen und so ziemlich alles wäre machbar: Wo würdest du gerne mal ein Konzert geben? Was fehlt noch auf eurer Landkarte?
Wir haben zwar inzwischen auf jedem Kontinent gespielt, aber da gibt es noch jede Menge Ecken, in denen ich mich gerne mal umsehen würde. Indien oder China fallen mir da spontan ein, aber als alter "Herr der Ringe" Fan würde ich auch gerne mal in Neu Seeland spielen. Eigentlich möchte ich überall noch spielen, wo wir bis jetzt noch nicht waren, es gibt also noch viel zu tun für uns.

Jetzt weiß ich ja, dass du Fragen nach früher Bandgeschichte hasst. "Hör mal, das ist 25 Jahre her! Wen interessiert denn das heute noch?" denkst du dir ja nur noch. Wie ist es denn mit den frühen Songs? Macht es noch Spaß diese Stücke dann live zu spielen oder spielt ihr die Sachen nur, wegen der Angst gekreuzigt zu werden?
Das kommt ganz auf das Lied an. Es gibt da ein paar Kandidaten, die wir wirklich nicht mehr besonders gerne spielen, einfach weil wir sie schon so ewig im Programm haben, aber viele Fans lieben eben Stücke wie z.B. Majesty oder Valhalla. Und das ist uns natürlich bewußt und deshalb spielen wir sie auch heute noch, aber unsere Lieblingssongs im Liveset sind sie bestimmt nicht mehr. Aber andere alte Sachen machen nach wie vor sehr viel Spaß, Traveler in Time ist z.B. so ein "Oldy", den wir auf dieser Tour wieder im Programm haben und der Song gehört im Moment zu meinen Favoriten im Set.

Kürzlich konnte man in den News lesen "Blind Guardian versteigern sich bei Ebay". Seid ihr käuflich geworden oder wie ist das zu verstehen?
Nein, wir selber sind nicht zu haben, aber Aufnahmezeit in unserem Studio. Das ganze war gedacht als Hilfe für Japan, der Erlös dieser Versteigerung kommt also den Opfern der Katastrophe zu gute. Wir hatten von Anfang an sehr treue Fans in Japan, es ist nur logisch, das wir da versuchen, zu helfen.

Amazon.de Widgets

Bekanntlich kommt eure aktuelle Langrille "At the Edge of Time" gänzlich ohne Samples aus und wurde auch sehr aufwändig produziert. Streicher, Chöre, jeden Pieps selbst eingespielt - herausgekommen ist echter Handmade-Metal. War das eine ganz bewußte Entscheidung von euch und war das nicht vergleichsweise aufwändig und nervenaufreibend?
Das war ganz klar eine bewußte Entscheidung! Wir wollten einen sehr natürlichen und warmen Sound für unsere Produktion, und mit den ganzen Samples, die heute leider sehr oft über jede Produktion gelegt werden, schafft man das nicht, da klingt dann am Ende alles gleich. Natürlich ist so eine Produktion sehr aufwendig, man muß wesentlich mehr Zeit in Soundchecks investieren, weil man eben nicht am Ende alles mit Samples zukleistert, die Grundsounds müssen von Anfang an stimmen, und auch ein 90 Mann Orchester ist wesentlich aufwendiger als ein paar Keyboardspuren, aber ich glaube, das Ergebnis spricht für sich. Wir sind jedenfalls absolut zufrieden mit der Produktion und würden auch im nach hinein nichts anders machen.

Bekanntlich arbeitet ihr mit dem Prager Symphonieorchester zusammen an einem Orcherster-Opus. Würdest du uns darüber etwas verraten?
Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an einem Orchesterprojekt. Das ganze muß man sich wie eine normale Blind Guardian Produktion vorstellen, allerdings ohne Blind Guardian ;-) Die gesamte Musik wird eben nicht von der Metalband gespielt, sondern von dem großen Orchester, es sind also alle Typischen Trademarks unserer Musik vorhanden, die ganzen Harmonien und Melodiebögen, es gibt aber eben keine harten Gitarren oder Drums. Mit dem Prager Symphonieorchester haben wir jetzt auch endlich das richtige Orchester für dieses Projekt gefunden und die ersten Aufnahmen sind super geworden. Es sind noch nicht alle Stücke fertig komponiert und wir müssen auch noch jede Menge aufnehmen, aber das ganze wird mit Sicherheit sehr interessant für jeden Blind Guardian Fan.

Welche Bands und Künstler haben dich ganz persönlich inspiriert?
Das waren am Anfang ganz klar Bands wie Black Sabbath, die alten Iron Maiden oder Metallica. Ich habe zur gleichen Zeit angefangen, Gitarre zu spielen, wie ich auch den Metal für mich entdeckt habe, da waren die Einflüsse dann eine logische Konsequenz. Aber im Lauf der Jahre sind viele andere Einflüsse dazu gekommen, z.B. Pink Floyd oder Jethro Tull, man sieht dann ja irgendwann doch auch mal über den Tellerrand hinaus.

Welche Songs gefallen euch persönlich besser? Sind es eher die "Balladen" á la "The Bard's Song" oder "The Elder". Oder eher Neckbreaker wie "Mirror Mirror" oder "Into the Storm"?
Das kann man so pauschal eigentlich nicht beantworten, da so etwas extrem schwankt und immer von der momentanen Laune und Stimmung abhängt. Der Bard Song ist logischerweise ein absoluter Klassiker in unserem Set und macht mir auch nach wie vor viel Spaß, aber im Moment liegen bei mir andere Nummern weiter vorn, im Lauf der Tour hat sich z.B. Wheel of Time zu meinem persönlichen Liebling im Set entwickelt. Aber sowas schwankt wie gesagt sehr stark, stell mir morgen nochmal die gleiche Frage, dann bekommst du eventuell eine komplett andere Antwort. Generell ist aber beides sehr wichtig für uns, die schnellen und harten Nummern und die ruhigeren Sachen, der Mix muß stimmen, sonst wäre ein Konzert zu eintönig und die gesamte Dynamik wäre weg.

Jetzt wissen wir ja auch, dass ihr durchaus auch einer gepflegten Zockerstunde nicht aus dem Weg geht. Was spielt ihr denn zur Zeit? (Rift, wieder World of Warcraft oder was völlig anderes?)
Ich bin von dem gleichen Fluch wie 12 Millionen andere Spieler betroffen und verbringe eigentlich die meiste Zeit in Azeroth. Vor World of Warcraft habe ich so ziemlich alles gespielt, was ich in die Finger bekommen habe, aber WoW ist so Zeitintensiv und dabei auch noch so unglaublich gut, da konnten viele andere Sachen einfach nicht mehr mithalten. Da man nach so langer Zeit natürlich auch eine große Bindung zu seinen Chars entwickelt haben mich die ganzen anderen MMORPGs nicht wirklich gereizt, ich habe einfach keine Lust, meine ganzen Chars hinter mir zu lassen und ganz von vorne anzufangen. Außerdem spiele und Raide ich seit vielen Jahren mit den gleichen Leuten, und solche Freundschaften will man natürlich auch nicht einfach so aufgeben. Da wir aber auf Tour leider nicht immer Internet haben sind auf meinem Laptop aber natürlich auch noch jede Menge andere Spiele, Sachen wie Dragon Age Origins, Mass Effect 1 & 2 oder auch Resident Evil 5. Gestern habe ich mir auch noch schnell Portal 2 gekauft, Teil 1 fand ich super und die Reviews für den 2. Teil sind ja der Hammer, ich bin schon gespannt, die langen Nächte im Nightliner können jedenfalls kommen, ich bin vorbereitet.

Wenn wir gerade schon bei Computerspielen sind: Welches Spiel ist ein persönlicher All-Time-Favorite?
Das kann ich unmöglich auf nur ein Spiel beschränken, dafür spiele ich schon viel zu lange und habe in all den Jahren zu viele geniale Spiele gespielt, ich hab ja schließlich wirklich damals mit Pong angefangen. Als bekennender World of Warcraft Junkie muß da WoW auf jeden Fall genannt werden, aber ich habe z.B. seit seinem Erscheinen auch Diabo II IMMER auf irgend einem meiner PCs installiert, auch Warcraft 2 & 3 sind bei mir ganz weit vorne. Aber natürlich gibt es auch absolut geniale Spiele, die nicht von Blizzard sind ;-) Zu meinen Faves gehören z.B. auch Monkey Island 1&2 (eigentlich alle alten Lucas Arts Adventure), die guten alten ID Shooter, Strategiespiele wie Starcraft, Command & Conquer oder auch Battle Isle, dazu dann auch ganz andere Sachen wie z.B. Lemmings. Außerdem habe ich auch immer viel auf Konsolen gespielt, da sind natürlich die ganzen Mario Spiele in meiner Top 10, oder auch Sachen wie Sonic, Donkey Kong, Casltevania, Tekken, Resident Evil oder Advance Wars... Ich hör jetzt aber besser auf, sonst müßt ihr ein Sonderheft nur für meine Lieblingsspiele rausbringen ^^

Habt ihr euch schonmal von einem Computerspiel beim Songwrting inspirieren lassen?
Ja, haben wir, wir wurden ja gefragt, ob wir für Sacred 2 die Titelmusik schreiben möchten, und das war natürlich eine super Sache für leidenschaftliche Spieler wie uns. Wir haben damals alle möglichen Hintergrundinformationen über das Spiel erhalten, Screenshots, Storyboards, animierte Sequenzen, und haben mit all diesen Inspirationen dann Sacred Worlds geschrieben, das Lied ist in einer etwas anderen Version unter dem Namen Sacred im Spiel gelandet und eben als Sacred Worlds auch der Opener unseres letzten Albums. Aber auch früher haben uns Spiele immer wieder inspiriert, das fing mit Bards Tale an und zog sich durch unsere ganze Karriere (als Musiker und Zocker ;-) )

Eigentlich habt ihr alles in eurer Karriere erreicht, ihr füllt die Hallen weltweit und habt Fans auf der ganzen Welt. Welche Ziele habt ihr noch, was kann man noch von euch erwarten in der Zukunft?
Wir wollen uns ständig weiterentwickeln und verbessern, und das in jeder Beziehung. Wir werden immer versuchen, noch bessere Stücke zu schreiben, bessere Produktionen zu fahren und noch bessere Liveshows auf die Beine zu stellen, ihr könnt also noch einiges von uns erwarten.

Beim Meet&Greet war ich überrascht wie locker, nett und freundlich ihr seid. Viele Bands heben völlig ab, aber ihr habt euch menschlich und bodenständig gehalten. Wie habt ihr euch das bewahrt in einem so harten Geschäft wie dem Musikbuisness?
Wir sind einfach vier ganz normale Typen die Spaß an dem haben, was sie tun, warum sollten wir abheben und einen auf großer Rockstar machen? Dafür gibt es einfach keinen Grund und ich kann mir auch bei keinem von uns vorstellen, das das irgendwann mal passieren könnte. Wir sind seit fast 25 Jahren dabei und haben uns unseren Erfolg über all die Jahre immer weiter aufgebaut, wir waren ja keine "Overnight-Sensation" sondern sind Schritt für Schritt immer größer geworden, da ist es eigentlich nicht wirklich schwer, auf dem Boden zu bleiben. Wenn ich mir dagegen die ganzen DSDS Kandidaten ansehe, die aus dem Nichts kommen, auf ein große Bühne gestellt werden und den ganzen Tag hören, das sie der neue große Superstar wären...

Hast du schonmal ein Hotelzimmer zerstört?
Hahaha, nein, sorry, damit kann ich nicht dienen. Außer Gitarrensaiten mache ich auf Tour eigentlich nichts kaputt, und selbst an die letzte gerissene Saite kann ich mich nicht wirklich erinnern.

Fehler gefunden? Melden.

Dieser Artikel kann Affiliate-Links enthalten, die mit gekennzeichnet sind. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für dich ändert sich dadurch nichts, auch nicht am Preis, aber du unterstützt damit dieses Projekt. Deswegen bereits im Voraus: Danke.